Universal Language
Kanada 2024, Laufzeit: 89 Min., FSK 6
Regie: Matthew Rankin
Darsteller: Matthew Rankin, Pirouz Nemati, Rojina Esmaeili
Surreale Moritat in der iranischen Community Winnipegs
Gefrorenes Geld
„Universal Language“ von Matthew Rankin
Ein großer Geldschein liegt auf dem Gehsteig, unerreichbar, weil zentimetertief im gefrorenen Eis. Dies ist der Beginn einer süffisanten Posse aus dem gefürchteten Winter von Winnipeg. Zwei Schulkinder wollen der Bestrafung durch den Französischlehrer entkommen – es droht die Besenkammer – und suchen die Brille ihres Schulkameraden, der sie irgendwo im knietiefen Pulverschnee verloren hat. Zwischen den Häusern finden sie dann den Geldschein, der schnell der Brille den Rang abläuft.
Wie in einer Schnitzeljagd folgen nicht nur die Kinder immer neuen Impulsen und Hinweisen auf ihrer Suche: zunächst nach der Brille, dann nach geeignetem Werkzeug, dann sind sie einem zwielichtigen Gesellen auf der Spur, der es ebenfalls auf den Geldschein abgesehen hat. Auch Regisseur Matthew Rankin lässt sich scheinbar von jeder neuen Plotwendung und Drehbuchidee ablenken – um zu einem herrlich absurden und sehr surrealen Lehrstück zu gelangen, in dem die Kinder den Erwachsenen allemal überlegen sind.
Viele Besonderheiten säumen diesen verschlungenen Pfad: Da ist der Nebenstrang von Mammoud, der in der „Stadt ohne Sehenswürdigkeiten“, wie die Tourismusbehörde wirbt, skurrile Stadtführungen hält. Da ist Matthew, gespielt vom Regisseur persönlich, der aus dem französischsprachigen Montreal zu seiner alten Mutter nach Winnipeg kommt, um bei ihr auf neue Gedanken zu kommen. Und da ist der Französischlehrer, der seine Schützlinge in die Besenkammer verbannen will. Alles spielt in der bedeutenden iranischen Community von Manitoba, gesprochen wird Farsi, manchmal Englisch und radebrechend auch Französisch – eine Verneigung auch vor den Immigranten, die das fade Winnipeg mit ihren surrealen Geschichten füllen.
Wie in den Filmen von Wes Anderson sind die Kinder die Schlauen, die Erwachsenen dürfen währenddessen liebevoll vor sich hintölpeln oder den sympathischen Schurken spielen; auch die Schnitzeljagd erinnert an Anderson („Grand Budapest Hotel“, 2014), nur in klein und reduziert. Und hier kommt noch ein Name ins Spiel: Roy Andersson. Anders als sein texanischer Kollege ist der Schwede ungleich minimalistischer und schwarzgalliger, das Setting von „Universal Language“ scheint Rankin direkt bei ihm geliehen zu haben. Seine Farce spielt zwischen den Ziegelhäuserwänden der Stadt, alles versinkt in graugrauem Winterzwielicht, gefilmt wird flächig, was eine große stilistische Strenge hervorbringt. Angesiedelt ist die Geschichte vom Geldschein irgendwann in den 80er-Jahren, zwischen Retro-Tech und hässlichen Pullundern.
Natürlich drängen sich auch noch die Kinderfilme von Abbas Kiarostami in diesem anspielungsreichen Werk auf. Umso besser, dass der Witz jedoch auch ohne die vielen Referenzen verstanden wird. Denn die „universelle Sprache“, die von allen verstanden wird, ist die Sprache des Witzes und des Humors, des Absurden, des Komischen und des Surrealen. Damit zündet Rankin trotz aller Bescheidenheit das ganz große Feuerwerk. Kein Wunder, dass sein Film als kanadischer Beitrag ins Rennen um den Oscar geschickt wurde.
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