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Vatel
Frankreich 2000, Laufzeit: 117 Min.
Regie: Roland Joffé
Darsteller: Gérard Depardieu, Uma Thurman, Tim Roth, Julian Glover, Julian Sands, Timothy Spall, Arielle Dombasle, Hywel Bennett

Die adlige Zeitgenössin Ludwig XIV, Madame de Sévigné, teilt erschüttert in ihrem Brief vom 24. April 1671 den Tod des Zeremonienmeisters und Hausvorstehers am Hofe des Prinzen Condé mit, den Tod eines Mannes, dessen "Kopf die Sorge eines ganzen Staatswesens hätte übernehmen können³, der es aber vorzog, nachdem er zwölf Nächte durchwacht hatte, um ein ungeheures Fest zu organisieren, sich selbst zu erdolchen, da er vermeinte, die von ihm für die Festtafel bestellten Fische träfen nicht mehr rechtzeitig ein. Auch Ludwig XIV. selbst stimmte in die allgemeinen Deutung ein, dass dieser Mann einen "Ehrbegriff eigener Art³ gehabt habe. Sein Name ist Vatel. Soweit das verbürgte historische Faktum. Roland Joffé schafft auf dieser Basis einen nicht nur überreich ausstaffierten, sondern an Detailbeobachtungen und historischer Analyse überaus bemerkenswerten Film, der die Gestalt Vatels als zunächst naiven, dann immer verzweifelteren Spielball der Mächte erscheinen lässt. An seine einzige Vertraute und Geliebte schreibt dieser vielleicht grösste Zeremonienmeister der Epoche die letzten, schlichten Worte: "In dem Masse wie ihr Herz sich öffnete, und bevor es sich wieder verschliesst, habe ich verstanden, dass ich nicht der Meister der Genüsse und des Vergnügens, sondern ihr Sklave bin³. Vatel ist seinem Hausherrn, dem Prinzen Condé, ein ergebener Diener, der von diesem mit der ungeheuren Aufgabe verpflichtet wird, für den ganzen Hof Versailles über mindestens vier Tage ein unvergleichliches Festessen auszurichten, von dem es anhängen wird, ob der Prinz wieder die Gunst des Königs erringen kann. Nicht aber die Aufgabe stürzt Vatel in Selbstzweifel, sondern ihre Begleiterscheinungen. Aus einfachen Verhältnissen stammend hat er den Kontakt mit der geprellten und verarmten Bevölkerung nie verloren, von der er reichhaltige Waren fordern muss, die er nur mit wenigen, kaum ihr Überleben sichernde Münzen entgelten kann. Hiermit nicht genug muss Vatel eine Kaskade allgemeiner Dekadenz und Heuchelei erleben. Des Bruders König etwa fordert einen hübschen Bauernjungen für sein Bett. Was Vatel aber den letzten Schlag versetzt ist der brutale Tod eines seiner Mitarbeiter, der sein Leben für eine akrobatische Darbietung verliert. Der raffinierte Ästhetizismus und die verfeinerte Lebensart, für die Vatel als Komponist des Genusses wie kein anderer steht, wird konfrontiert mit der menschenverachtenden Haltung eines arroganten Hofes, der seine Lebensleere von Festakt zu Festakt schleppt. Vatel muss erkennen, das all seine Lebens- und Wahrnehmungskunst nur eine vergebliche Materialschlacht für ein oberflächlich höfisches Vergnügen ist. Noch einmal komplizieren sich die Dinge, da die bei aller Raffinesse klare und menschliche Lebensart Vatels die Liebe einer einflussreichen und allseits begehrten Frau erweckt, deren mächtige Anbeter wenig Sympathie für ihren neuen Konkurrenten aufbringen. In diesem Zusammenhang kommt es zu der vielleicht arrogantesten Degenszene, die je gedreht wurde. Doch noch ein letzter Schlag wartet auf Vatel, als er erfährt, dass sein verehrter Prinz ihn bedenkenlos als sein Eigentum bei einem Kartenspiel setzte und verlor. Da kommen ein paar Fische zuwenig als Grund zu einem endgültigen Abtritt gerade recht. Roland Joffé schafft einen allegorischen Film, der sich nicht auf die historische Problematik der Hofzeremonien des Sonnengottes beschränkt, sondern der vom Scheitern des Ästhetizismus und einer Welt maskierter Barbarei spricht.

(Dieter Wieczorek)

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