Vertraute Fremde
B/LUX/F/D 2009, Laufzeit: 100 Min., FSK 0
Regie: Sam Gabarski
Darsteller: Alexandra Maria Lara, Jonathan Zaccai, Pascal Greggory, Leo Legrand, u.a.
Der Zeichner Thomas steigt auf dem Heimweg von einer Comicmesse in den falschen Zug und landet in seiner Kindheit.
Thomas hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Der Vater zweier Töchter ist Comiczeichner. Die letzte Albumveröffentlichung des 50Jährigen liegt allerdings schon etwas zurück. Als ihn auf einer Comicmesse ein Fan nach neuen Folgen seiner Fantasyserie fragt, macht er einen müden Eindruck. Es ist derselbe leere Gesichtsausdruck, den man zuvor bei seinem Abschied von Frau und Kindern sehen konnte und mit dem er auch kurze Zeit später auf der Rückreise aus dem Fenster der Bahn blickt. Als er in dieser Stimmung im Zug einschläft, gelangt er fälschlicherweise an seinen Geburtsort. Die Zeit bis zum nächsten Zug nach Paris nutzt er für einen Besuch auf dem Friedhof. Dort steht er vor dem Grab seiner Mutter, als er plötzlich von Schwindel gepackt umkippt. Kurz darauf erhebt er sich wieder, doch er ist nicht mehr der Thomas der Gegenwart – er ist wieder der 14jährige Junge, der zusammen mit seiner Mutter (Alexandra Maria Lara), seinem Vater und seiner kleinen Schwester in den 60er Jahren in dieser Kleinstadt lebt. Als sich die erste Irritation legt, genießt Thomas den Zeitsprung in seine Jugend. Mit dem Geist des erwachsenen Thomas durchlebt er die Pubertät neu. Doch in ein paar Tagen wird sein Vater seinen Geburtstag feiern – jenen Geburtstag, an dem er die Familie für immer verlassen hat. Wie könnte Thomas verhindern, dass er es wieder tut?
Der gleichnamige Manga von Jiro Taniguchi ist die Vorlage für den Film. Doch nicht nur die Verfilmung, bereits die Vorlage entspricht kaum den Klischees eines Manga. Jiro Taniguchi ist eine Ausnahmeerscheinung unter den Mangaka, und es kann kaum verwundern, dass er bei europäischen Lesern von Graphic Novels so erfolgreich ist. Sein Stil gleicht eher europäischen Autoren-Comics, wenngleich seine Themen und die Erzählweise fast Züge des Zen tragen. Sam Garbarski, der in Deutschland geborene und mit 22 Jahren ins Comic besessene Belgien übergesiedelte Regisseur von „Irina Palm“, schafft es, die ruhige Grundstimmung der Vorlage in den Film zu retten. Die beiden Hauptdarsteller Pascal Greggory als der 50jährige und Léo Legrand als der 14jährige Thomas helfen mit ihrer gleichmütigen Art, der Soundtrack des französischen Duos Air schmiert die Gefühlswelt passend. Garbarski tut gut daran, es Taniguchi gleich zu tun und die Zeitreise jeglicher Fantasy-Attraktion zu berauben und stattdessen den poetischen und philosophischen Kern der Geschichte zu betonen. Natürlich – das gilt für Romanverfilmungen sowieso, aber auch für die Verfilmung von über 400 Seiten starken Manga – muss die Figurenzeichnung knapper ausfallen, auch werden ebenso Figuren ganz weggelassen wie einzelne Handlungsmomente. Aber dafür hat Garbarski erstaunlich viel von Taniguchis Vorlage auf die Leinwand übertragen können. Und am Ende verschafft er dem Mangaka sogar einen kleinen Cameo-Auftritt.
(Christian Meyer)
Alles für die Musik
Publikumspremiere von „Köln 75“ im Cinenova – Foyer 03/25
Schlechte Zeiten?
Merz im März und ernste Kost im Kino – Vorspann 03/25
Mit Trauer umgehen
„Poison – Eine Liebesgeschichte“ im Odeon – Foyer 02/25
Gute Zeiten
Wie lang darf ein Film sein? – Vorspann 02/25
Bittersüße Dystopie
„Ein schöner Ort“ in der Aula der KHM – Foyer 01/25
Zeit-Fragen
Symposium der dokumentarfilminitiative im Filmhaus – Foyer 01/25
Für immer hier
Start: 13.3.2025
Köln 75
Start: 13.3.2025
Das Licht
Start: 20.3.2025
The Last Showgirl
Start: 20.3.2025
I Like Movies
Start: 27.3.2025
The End
Start: 27.3.2025
Parthenope
Start: 10.4.2025
Oslo Stories: Liebe
Start: 17.4.2025
Quiet Life
Start: 24.4.2025
Volveréis – Ein fast klassischer Liebesfilm
Start: 1.5.2025
Oslo Stories: Träume
Start: 8.5.2025
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Oslo Stories: Sehnsucht
Start: 22.5.2025
Das Kanu des Manitu
Start: 14.8.2025
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Tron: Ares
Start: 9.10.2025
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24