Volver
Spanien 2006, Laufzeit: 120 Min.
Regie: Pedro Almodóvar
Darsteller: Penélope Cruz, Carmen Maura, Chus Lampreave, Lola Duenas, Blanca Portillo, Yohana Cobo
Sie putzen und polieren, tauschen Blumen und Kerzen aus, immer ein freundliches Wort oder Lied auf den Lippen, bei der ganz alltäglichen Grabpflege. Schon die Eröffnungssequenz macht deutlich, wo Regiealtmeister Pedro Almodóvar diesmal hin will: zu einem entspannten Umgang mit dem Tod. Doch dazu bedarf es erstmal eines Toten; oder mehrerer.
Dass Raimundas Tochter ihren aufdringlichen Schwiegervater in Notwehr ersticht, ist erstmal kein großer emotionaler Verlust. Doch auch in seinem toten Zustand bleibt der pädophile Nichtsnutz die reinste Plage: Wie in einer heimlich übernommenen Taverna ein Filmteam verköstigen, wenn der tumbe Göttergatte die Kühltruhe verstopft? Und zu allem Überfluss stirbt ausgerechnet jetzt auch noch Raimundas geliebte Tante. Fernab der Großstadt, in ihrer Heimatprovinz La Mancha.
In der Heimat des "sinnreichen Junkers", der auch Almodóvar entstammt, gelangt der Film an seine Wurzeln. Hier flüstert nicht nur der heiße Ostwind den Bewohnern ihren literarisch zu Weltruhm gelangten 'Aberglauben' ein, sondern kulminieren auch die diversen Frauenschicksale in der Rolle der Agustina (alias Blanca Portillo, des heimlichen Stars des Films), die bis zuletzt ein Auge auf die Tante hatte. Warum wurde Raimunda von ihrer Tante großgezogen? Was umtreibt den Geist der Mutter, der sich plötzlich überaus lebhaft Zutritt zum Leben der Schwestern beziehungsweise zunächst zu Soles Leben verschafft? Und um wie oder was in der Welt sind diese Frauen in der Lage, so entspannt mit den toten und untoten Geheimnissen ihrer Existenz umzugehen? Ob Raimunda oder Sole, Agustina oder Raimundas Tochter Paula, schon gar nicht der Geist von Irene, diese Frauen sind keine "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs". Mit einer beinahe stoischen Gelassenheit integrieren sie das Unerklärliche in ihren fidelen Kampf gegen die nimmermüden Windmühlen. Genauso wie der Regisseur selbst. "Je mehr Material er hinzufügt, desto stringenter erscheint die innere Logik der Geschichte ...", schreibt der befreundete Schriftsteller Millás. Und vor allem: desto natürlicher erscheint das Übernatürliche. Die naturalistische Abbildung des Lebens und der surrealistische Auftritt des Todes treten nicht in einen Konflikt, sondern bereinigen in ihrem kunstvollen Arrangement aus leiser Komik und schwereloser Poesie vielmehr einen: Die Angst, die quälende Unruhe, die Almodóvar mit der Gewahrwerdung der unabänderlichen Macht des Todes befallen hat.
Gewann man in seinem fast nervig überdrehten Frühwerk immer wieder den Eindruck, er habe etwas zu überspielen, so waren seine letzten Filme von niederschmetternder ("Sprich mit Ihr") bis sich im Bodenlosen verlierender Tragik ("Schlechte Erziehung"). So schreibt der Regisseur in seinem 'Geständnis' zu "Volver" (span.: zurückkehren): "Ich habe den Eindruck, und ich hoffe, dass das nicht ein vorübergehendes Gefühl ist, dass ich es geschafft habe, ein Puzzleteil einzupassen, dessen Fehlen mir schon das ganze Leben viel Schmerz und Angst verursacht hat. [...] Das Puzzleteil, von dem ich rede ist der Tod. [...] Und diese Geschichte, die meines Films, - und jetzt kommt mein Geständnis - hat bei mir eine Gelassenheit bewirkt, die ich schon seit geraumer Zeit nicht mehr in mir gefühlt habe." So ist es denn mehr als eine schöne Anekdote, dass 17 Jahre nach den "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" erstmals wieder Carmen Maura in einem Film von Almodóvar auftritt - und das als Geist von Irene, als eine Figur, die er aus dem Jenseits holt: "Das Jenseits ist hier. Das Jenseits befindet sich im Diesseits. Himmel, Hölle, Fegefeuer, das sind wir, sie sind in uns. Das hat Sartre schon besser gesagt als ich." Aber beileibe nicht mit solch einer unerschütterlichen Lebendigkeit, wie sie man sie sonst nur bei den Mütterchen aus der Mancha beobachten kann; bei der Pflege ihres eigenen Grabes.
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