Zero Dark Thirty
USA 2012, Laufzeit: 157 Min., FSK 16
Regie: Kathryn Bigelow
Darsteller: Jessica Chastain, Jason Clarke, Reda Kateb, Kyle Chandler, Jennifer Ehle, Harold Perrineau
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Sehenswert
Das Auge (340), 16.06.2013
Die Welt ist grau und es werden üble Methoden verwendet, um zu bestrafen. Gut und böse verschwimmen, alle sind Täter/innen. Der Film wertet nicht, sondern erzählt neutral, was geschah oder wie es geschehen sein könnte.
Letztlich hat jede Machtstruktur ihre Helfershelfer, die auch den Kopf für Entscheidungen hinhalten müssen und keiner will Fehler machen. Falls wirklich die Agentin mit ihrer ewigen Hartnäckigkeit Osama bin Laden gefunden hat, ist dies ein Beispiel für den Erfolg von Besessenheit. Der Preis ist wie immer hoch: Im Grunde findet kein eigenes Leben mehr statt. Die Haltung gegenüber solchen Menschen ist ambivalent: Auf der einen Seite Bewunderung, auf der anderen Seite Unverständnis für die Opferbereitschaft. Insofern funktioniert der Film auf mindestens zwei Ebenen: Einmal auf der Ebene der Nacherzählung der Ereignisse, aud der zweiten Ebene als Studie über eine selbstzerstörerische Suche nach einem Verantwortlichen, die letztlich keine Erfüllung bietet.
Ups - they did it again!
Matt513 (266), 17.02.2013
Keine Frage - wenn es darum geht, ein an sich spannendes Gegenwartsthema stinklangweilig zu erzählen, ist auf Kathryn Bigelow und ihren Drehbuch-schreiber Mark Boal Verlaß. In dieser Hinsicht bewegt sich Zero Dark Thirty auf demselben Niveau wie weiland der über den Klee gelobte The Hurt Locker.
Es gibt gewiß andere dramaturgische Mittel als die schiere Länge, um dem Kinopublikum glaubhaft eine fast zehnjährige Schnitzeljagd zu vermitteln, an deren Ende der meistgesuchte Mann der Welt zu Tode gebracht wird. Andersherum ausgedrückt, man muß den Zuschauer nicht durch einen derart langatmigen Film quälen, der fast komplett ohne Spannungselemente auskommt. Wie schon The Hurt Locker wirkt ZDT dadurch wie ein Episodenfilm. Und da er keine Spannungskurve aufbaut, mithin die dargestellten Charaktere überhaupt nicht entwickelt, wird man schließlich vom gar nicht so schlechten Finale auch emotional kaum eingenommen. Man nimmt's zur Kenntnis wie beim History Channel. Daher sollte Bigelow sich fragen, ob sie nicht -mit ihrer geliebten, ewig wackelnden Handkamera- eigentlich doch lieber Dokumentarfilme machen möchte. Oder Pornos. Dem Vernehmen nach kommen die ja auch ohne Dramaturgie aus.
"Folterporno" ist dann übrigens das derbste Etikett, das ZDT von der erneut tief gespaltenen Kinogemeinde verliehen wurde. Und ja, das stimmt, treffender kann man es kaum beschreiben. Wie die Kamera zu Beginn des Films drauf hält, ist obszön und unnötig. Wollte man den Film bewußt auf Kontroverse anlegen, damit er ins Gespräch kommt?
Die Oscar-Nominierung für die beste weibliche Hauptrolle hab ich in dem Film übrigens nicht gesehen. Nahezu jeder andere Beteiligte ist mimisch besser als Jessica Chastain (und das will was heißen, weil in diesem farblosen Film eigentlich jeder mehr oder weniger blaß bleibt). Aber eine Schauspielerin muß ja damit arbeiten, was Drehbuch und Regie vorgeben. Und ist beides mittelmäßig, hat sie ein großes Problem. Der Film beginnt mit einer der besagten Szenen; ein Ort, den es offiziell gar nicht gibt. Hier werden Menschenrechte verletzt. Eine staubige Hölle. Und Maya, die CIA-Agentin tritt auf im schicken schwarzen Kostümchen wie aus dem Ei gepellt. Ihr Kollege bei der Arbeit. Das Opfer schreit, Maya wendet sich berührt ab, schließt angewidert die Augen. Und das, obwohl sie lt. späterer Aussage eines Kollegen eine ganz Knallharte sein soll. Was will Bigelow uns hier vermitteln? Den Moment, in dem die CIA-Agentin ihre moralische Unschuld verliert, weil sie nun fernab vom Schreibtisch erfährt, wie die USA abseits der Schlachtfelder Krieg führt? Wie putzig. Hat sie sich damit vorher nicht auseinander gesetzt? Und kommt denn wenigstens danach eine wie auch immer geartete, z.B. moralische Aufarbeitung? Nö.
Könnte mich jetzt noch ausführlich zur Unerklärlichkeit der weiteren Nominierungen äußern (Bester Film, Schnitt, Ton; bestes Drehbuch). Aber ich weiß schon, wie’s enden wird. Der Film wird wahrscheinlich alle 5 vorgeschlagenen Oscars erhalten (weil es dunkle Kräfte gibt, die einen Film wie diesen eben vorne sehen wollen), Frau Bigelow sich endgültig als begnadete Regisseurin begreifen, sodann sich berufen fühlen, einen weiteren tollen Kinofilm für uns zu machen, von der Machart her genau wie ihre letzten beiden. Jippie.
Epilog: Sollte dies eintreten, werden wir in L.A. einen sehr traurigen Quentin Tarantino erleben, dem ich für sein Drehbuch zu Django Unchained den Oscar gönnen täte, dessen Drehbuch für Inglorious Basterds jedoch schon den kürzeren gegen das von The Hurt Locker zog.
America
Raspa (392), 29.01.2013
1. Dies ist ein zynischer, gewaltverherrlichender Film. Alle Mittel, selbst die Folter lediglich verdächtiger Personen wird um des angeblich höheren Ziels willen gerechtfertigt.
2. Dies ist ein in hohem Maße amerikakritischer Film. Die Regisseurin lässt zwischen den Zeilen ( um einen literarischen Begreiff zu benutzen ) deutlich ihre tiefe Skepsis gegenüber den Methoden der CIA erkennen.
Zwischen diesen Extremen bewegen sich die Reaktionen der Zuschauer, wie man in verschiedenen Blogs feststellen kann. Und ich? Nun, ich bin hin- und hergerissen. Meiner Auffasung nach bezieht K. Bigelow, die wie schon in ihrem Irakfilm ihre handwerliche Meisterschaft beweist, bewusst keine eindeutige Position, so dass der Zuschauer wirklich selbst zu einer Meinungsbildung gelangen muss. Und das kann so falsch eigentlich nicht sein, oder? Deshalb meine Empfehlung: Unbedingt ansehen und dann darüber diskutieren.
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