Während sich seine Wiener Zeitgenossen Franz von Suppé und Carl Millöcker vornehmlich an italienischen Vorbildern anlehnten, hegte Johann Strauß der Jüngere zeitlebens eine große Begeisterung für das Vaudeville, ein burleskes Singspiel der französischen Opéra comique. Seine womöglich meistgespielte Operette „Die Fledermaus“, deren Libretto freilich nach dem französischen Lustspiel „Le Réveillon" von Henri Meilhac und Ludovic Halévy verfasst wurde, entstand, darf man der Legende glauben, binnen zweiundvierzig Tagen und Nächten. Als satirische Demaskierung der bürgerlichen Doppelmoral amüsierte es über die Grenzen Wiens hinaus, wurde alsbald in den Kanon der Goldenen Operettenära aufgenommen und bis in die Gegenwart unzählige Male aufgeführt.
Anders als Strauss‘ Komposition, anders als Musik im Allgemeinen ist Witz jedoch ein vergänglicheres Gut, stets gebunden an die Zeitgemäßheit seines Gegenstandes. Und so muss sich auch die Inszenierung der „Fledermaus“ bei ihrer Premiere am 26.11. im Kölner Staatenhaus bemühen, diese mit allerlei Klamauk und Effekt zu beteuern.
Dies zeigt sich bereits am dramatischen Ausgangspunkt der Handlung: Die „Fledermaus“, verkörpert durch Dr. Falke (Wolfgang Stefan Schwaiger), erhält seinen unliebsamen Beinamen durch den Streich seines Freundes Gabriel von Eisenstein (Miljenko Turk), der ihn nach einem durchzechten Kostümball bei Nacht in einem Park aussetzt. Als Falke aus seiner Trunkenheit erwacht, ist das Gespött groß und er sinnt auf Vergeltung. Was als Rachemotiv für ein Publikum des 19. Jahrhunderts noch bestechen mag, erscheint für die anschließende Revanche in drei Akten, samt betrogener Ehefrau (Ivana Rusko in der Partie der Rosalinde), Verhaftung (Bjarni Thor Kristinsson als Gefängniswärter) und Mordversuch, heute schlicht nicht nachvollziehbar. Die Folge: Regisseurin Petra Luisa Meyer lässt den vor Übermut und Champagner schäumenden Eisenstein verlauten, Herumtreiber hätten in selbiger Schicksalsnacht, von der nun als Junggesellenabschied gesprochen wird, dem armen Dr. Falke obendrein die Kleider geraubt. Bemühen sich die eingeschobenen Zugeständnisse an die Gegenwart, mithin auch die Neigung zur Überspitzung (Countertenor Kangmin Justin Kim als Prinz Orlofsky tritt samt strippender Travestie-Entourage auf) eifrig, den Staub aus dem Libretto von Carl Haffner und Richard Genée zu klopfen, bleibt dies doch meist inkonsequent: Ein nackter Falke ist schließlich keine titelgebende Fledermaus.
Zweifellos unterhaltsam ist die üppige Bühnenausstattung der Inszenierung (Stefan Brandtmayr), die mit klugen Bildideen das wechselseitige Betrugsspiel des windigen Großstadt-Casanovas Eisenstein mit Gemahlin Rosalinde und Kammerjungfer Adele (Soubrette Claudia Rohrbach) einfängt. Im zweiten Akt in das golden und violett schillernde Interieur des halbseidenen Prinzen Orlofsky verwandelt, geraten Darsteller und Statisten in eine – am Totensonntag – willkommene Dynamik, die durch gute Gesangsleistungen unterstützt wird. Hier endlich darf nun auch das leider unglücklich im Eck platzierte Gürzenich-Orchester unter Leitung von Marcus Bosch zum Walzer aufspielen. Dieses Stück Tanzmusik war es schließlich, das Johann Strauß als „Walzerkönig“ international zu Ruhm verholfen hat.
„Die Fledermaus“ | R: Petra Luisa Meyer | 30.11., 2., 6., 8., 14., 16., 20., 22., 29.12. je 19.30 Uhr, 10., 25., 31.12. je 18 Uhr | Oper Köln im Staatenhaus | 0221 22 12 84 00
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