choices: Frau Kier, muss man angesichts des Wandels der katholischen und evangelischen Gemeindestrukturen in der Kölner Innenstadt künftig mit der Schließung oder dem Verkauf von Kirchen rechnen?
Prof. Dr. Hiltrud Kier: Im Innenstadtbereich sind das ja alles wichtige Baudenkmäler, da wird man nicht rangehen. Trotzdem hat vor allem die katholische Kirche ein Problem.
Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Gründe für dieses Problem der katholischen Kirche und ihrer teilweise kaum genutzten Bauten in Köln?
Die katholische Kirche leidet unter massivem Priestermangel. Es ist niemand mehr da, der die Menschen anspricht. Seelsorge ist aber keine Einbahnstraße. Die katholische Kirche muss endlich ihr Verhältnis zu Frauen überdenken. Wenn man auch katholische Frauen in den Priesterberuf ließe, gäbe es genügend Seelsorgepersonal.
Leeren Kirchen in der Innenstadt wird inzwischen auch in der katholischen Kirche verstärkt über kulturelle Nutzungen begegnet. Nennenswerte Refinanzierungsmöglichkeiten sind im Kultursektor ja bekanntlich nicht zu erwarten, oder?
Da geht es ja auch mehr um eine vorübergehende erweiterte Nutzung. Alles, was die Menschen zusammenbringt, geistig beflügelt, vergnügt macht, das Gemeinschaftsgefühl des Viertels stärkt, ist wichtig für die Kirchen. Diese Ruheräume braucht eine Großstadt.
Wie sehen Sie denn wirkliche Umnutzungen von Kirchen, sind auch Kletterhallen oder Diskotheken in Kirchen denkbar, wie z. B. in den Niederlanden?
Wie gesagt, das wird in der Innenstadt auf längere Sicht so nicht anstehen. Vielleicht aber im erweiterten Stadtgebiet. Und natürlich gibt es da Grenzen. Eine Diskothek ist aber, denke ich, kein Problem. In den Kirchen ist früher schließlich auch getanzt worden. Wichtig ist nur, dass bei der Umnutzung die Würde des Raumes und die der Menschen erhalten bleibt und dass man sie wieder rückgängig machen kann. Aber Zwischennutzungen gab es immer in der Geschichte der Kirchen.
In der Vergangenheit konnte man lesen, dass Sie auch eine Nutzung durch Muslime nicht ausschließen?
Nein, keineswegs, das sind ja Gotteshäuser. Für den einen Gott, zu dem alle beten.
Für mich ist das keine Umnutzung.
Stehen Sie mit dieser Meinung nicht alleine auf weiter Flur?
Vor 30 oder 40 Jahren war es noch nicht möglich, eine katholische Kirche der evangelischen Kirche zu geben. Und ich gehe davon aus, dass die durch nichts zu rechtfertigende Bestimmung der katholischen und der evangelischen Kirche, keine Kirche den Muslimen zu überlassen, früher oder später weichen wird.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Mission possible?
Wie Kölner Kirche(n) im Jahr 2012 ihre Schäfchen ins leere Gotteshaus holen - THEMA 08/12 KIRCHE IM WANDEL
„Bevor wir noch mal eine Kirche verkaufen, denken wir sehr gründlich nach“
Pfarrer Mathias Bonhoeffer über den Umbau der Christuskirche und die Herausforderungen innerstädtischer Gemeindearbeit - Thema 08/12 Kirche im Wandel
„Die Leute wollen von allem etwas“
Pfarrvikar Klaus Werner Bußmann über Experimentalisten und Moderne Performer am Brüsseler Platz - Thema 08/12 Kirche im Wandel
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 1: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 2: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
„Ich muss keine Konsequenzen fürchten“
Teil 3: Interview – Spieleautor und Kulturpädagoge Marco Teubner über den Wert des Spielens
„Die Bürger vor globalen Bedrohungen schützen“
Teil 1: Interview – Politikwissenschaftler Oliver Treib über Aufgaben und Zukunft der Europäischen Union
„Mosaik der Perspektiven“
Teil 2: Interview – Miriam Bruns, Leiterin des Goethe-Instituts Budapest, über europäische Kultur
„Der Verkauf des Kaffees nach Europa ist gestoppt“
Teil 3: Interview – Sebastian Brandis, Sprecher der Stiftung Menschen für Menschen, über das EU-Lieferkettengesetz
„Tiefseebergbau ohne Regularien wäre ganz schlimm“
Teil 1: Interview – Meeresforscher Pedro Martinez Arbizu über ökologische Risiken des Tiefseebergbaus
„Wir müssen mit Fakten arbeiten“
Teil 2: Interview – Meeresbiologin Julia Schnetzer über Klimawandel und Wissensvermittlung
„Entweder flüchten oder sich anpassen“
Teil 3: Interview – Klimaphysiker Thomas Frölicher über ozeanisches Leben im Klimawandel
„Es liegt nicht am Gesetz, Kriminalität zu verhindern“
Teil 1: Interview – Kriminologe Dirk Baier über Gewaltkriminalität und Statistik
„Prüfen, ob das dem Menschen guttut“
Teil 2: Interview – Publizist Tanjev Schultz über ethische Aspekte der Berichterstattung über Kriminalfälle
„Eltern haben das Gefühl, sie müssten Buddhas werden“
Teil 3: Interview – Familienberaterin Nina Trepp über das Vermeiden von psychischer Gewalt in der Erziehung
„Ernährungsweisen verändern, ohne Zwang“
Teil 1: Interview – Tierethikerin Friederike Schmitz über vegane Ernährung
„Naturschutz wirkt“
Teil 2: Interview – Biologin Katrin Böhning-Gaese über Biodiversität, Wildtiere und Naturschutz
„Sie verstehen uns“
Teil 3: Interview – Tierhistorikerin Mieke Roscher über die Beziehung zwischen Menschen und Tieren
„Was nicht erlaubt ist: Druck ausüben“
Teil 1: Interview – Autor Sebastian Schoepp über Freundschaften
„Bin ich eifersüchtig oder eher neidisch?“
Teil 2: Interview – Paarberaterin Sonja Jüngling über sexuelle Kontakte außerhalb einer Paarbeziehung
„Mit dem ersten Kind nimmt die Ungleichheit zu“
Teil 3: Interview – Soziologe Kai-Olaf Maiwald über Ehe, Familie und Geschlechterverhältnisse
„Mehr Umsatz, mehr Gesundheit“
Teil 1: Interview – Unternehmer Martin Gaedt über die Vier-Tage-Woche
„Das kann man mit keiner Gerechtigkeitstheorie erklären“
Teil 2: Interview – Historiker Marc Buggeln über Steuerpolitik und finanzielle Ungleichheit in Deutschland
„Die Gesellschaft nimmt diese Ungleichheiten hin“
Teil 3: Interview – Soziologe Klaus Dörre über Armutsrisiken und Reichtumsverteilung
„Psychische Erkrankungen haben nichts mit Zusammenreißen zu tun“
Teil 1: Interview – Psychologe Jens Plag über Angststörungen