Mittwoch, 1. Oktober: Birgit Schulz von der Kölner „Bildersturm Filmproduktion“ begrüßte die zahlreichen Premierengäste im Cinenova-Kino zur Welturaufführung des ersten Kinofilms von Peter Scharf, „Was bin ich wert?“, mit einigen denkwürdigen Worten: „Wer hat nicht schon einmal in seinem Rentenbescheid herumgeblättert, um zu erfahren, was er wert ist, wenn er nicht mehr arbeitet.“ Diesen und ähnlichen Fragen ging der Regisseur in seiner Dokumentation nach, die auf dem gleichnamigen Sachbuch von Jörn Klare beruht. Der Autor selbst ist seit einiger Zeit mit Peter Scharf privat befreundet und stand diesem bei seinen Recherchen zum Film auch aktiv zur Seite. Dreieinhalb Jahre dauerte der teilweise zähe Finanzierungs- und Drehprozess, das Ergebnis waren zwischen achtzig und einhundert Stunden Rohmaterial, das anschließend gesichtet, geschnitten und zu einem mitreißenden Ganzen verdichtet werden musste. Dass „Was bin ich wert?“ am Ende ein so unterhaltsamer und informativer Film geworden ist, ist laut Scharf auch ein Verdienst seiner treuen Mitstreiter. Oliver Held fungierte dabei nicht nur als Editor, sondern übernahm in Home Office auch die Funktion der Co-Regie und wird von Scharf als sein „partner in crime“ bezeichnet.
Für Held war dies nicht die erste Zusammenarbeit mit Peter Scharf, er hatte auch früher schon Dokumentarfilme des Regisseurs geschnitten. Bei diesen älteren Projekten hatte er „im Schnitt viel gemotzt“, weswegen es Held nun sehr gelegen kam, dass er schon im Vorfeld in die Entwicklung involviert war und eigenständige Entscheidungen treffen konnte. Er bestärkte seinen Freund und Kollegen auch stets darin, selbst vor die Kamera zu treten, damit er „dem Geschehen ausgesetzt war“. Daraus entstand eines der zentralen Motive des Films, denn das im Dokumentarfilm immer populärer werdende ‚Sich-Selbst-Inszenieren des Regisseurs‘ verleiht „Was bin ich wert?“ eine sehr persönliche Note, die auch zusätzlich mithilft, dem an sich trockenen Jonglieren mit Zahlen, Formeln und Berechnungsgrundlagen einen menschlichen Anstrich zu verpassen. Scharf fand Jörn Klares Buchvorlage von Anfang an sehr spannend, musste aber einen Zugang erarbeiten, der auch dem sehr visuellen und emotionalen Medium Film gerecht wird. Dazu versuchte er, Menschen zu finden, „die ein Gefühl vermitteln können, was es bedeutet, berechnet zu werden“. Für den Regisseur lag die ganze Moral der Geschichte schließlich in den Gesichtern der Beteiligten, die er verstreut im Film immer wieder wortlos in Großaufnahme abbildet.
Auf dieses spannende Stilmittel hatte ihn sein Kameramann Oliver Schwabe gebracht, der auch selbst als Regisseur arbeitet („Egoshooter“, „Zarte Parasiten“) und darüber hinaus auch als Fotograf tätig ist. Das Motiv der Porträtaufnahmen zieht sich bis in den Abspann des Films, in dem alle Beteiligten mit Namensnennung und Foto noch einmal die verschiedenen Stationen der Dokumentation Revue passieren lassen. Auch Schwabe kam während der Dreharbeiten eine Art Co-Regie zu, da Peter Scharf selbst vor Schwabes Linse agierte und sich auf dessen Urteil verließ, ob eine Szene gut gelungen oder eher peinlich war. Das größte Lob des Abends für „Was bin ich wert?“ kam schließlich aus qualifiziertem Munde. Jörn Klare, der Autor der Vorlage, lobte auf der Bühne des Cinenova: „Mein ganz großer Respekt an alle Beteiligten! Der Film trägt ein Thema, das mich lange beschäftigt hat, und kann auf anschauliche Weise dazu beitragen, dass es populärer wird und sich viele Menschen mit dieser Frage auseinandersetzen.“
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