Seit Anfang April läuft in den deutschen Kinos die Dokumentation „Anne-Sophie Mutter – Vivace“. Es ist beileibe nicht das erste Mal, dass der Versuch unternommen wird, sich ihrer Person filmisch zu nähern - denn die 60-Jährige gilt nicht nur als bekannteste Violinistin Deutschlands, sondern kann als ehemaliges „Wunderkind“ auch bereits auf eine fast 50-jährige Karriere zurückblicken: Schon mit fünf Jahren erhielt sie den ersten Geigenunterricht, in dem sich bald ihre Hochbegabung zeigte. 1970 gewann sie das erste Mal den Wettbewerb „Jugend musiziert“, 1976 trat sie mit den 13 Jahren erstmals bei den damaligen Internationalen Musikfestwochen Luzern auf. Archivmaterial aus ihrer Jugend und von weiteren wichtigen Lebensstationen sind auch in dem aktuellen Film zu sehen, Kernelement sind hier jedoch die Gespräche, für die Regisseurin Sigrid Faltin Mutter mit ehemaligen Weggefährten wie Daniel Barenboim, ihrem Pianisten Lambert Orkis, oder den Komponisten John Williams und Jörg Widmann zusammenbringt – aber auch mit Tennis-Profi Roger Federer oder dem Magier Steve Cohen, die sich Mutter als Gesprächspartner gewünscht hatte. Einer Vorstellung des Films im Cinenova hatte Faltin nun beigewohnt und sich anschließend den Fragen des Publikums gestellt.
Die Idee, die Star-Geigerin in Kontakt mit anderen Persönlichkeiten zu bringen, habe sie bereits bei ihrer ersten Begegnung mit Mutter im Jahr 2015 gehabt, sagte Faltin. „Meine These ist, wenn man Menschen dabei zusieht, wie sie mit anderen Leuten umgehen, erfährt man unterschwellig auch etwas über sie selbst – über das hinaus, was sie selbst von sich preisgeben“, begründete sie diese Herangehensweise. Aus ähnlichem Grund dient auch eine gemeinsame Bergwanderung der beiden Frauen als „Rahmenhandlung“ für den Film, denn Faltin glaubt, „dass man auf 1000 Meter Höhe vielleicht noch etwas freier miteinander spricht, als unter gewöhnlicheren Umständen.“
Über Anne-Sophie Mutter heißt es oft, dass sie sehr darauf bedacht sei, ihr Privatleben von der Öffentlichkeit abzuschirmen und auf der Bühne wirke sie oft „streng und in sich gekehrt“, so Faltins Eindruck. In Faltins Film aber zeigt sich Mutter von einer ganz anderen Seite, nämlich als lebhafte, lebenslustige und bodenständige Frau, die dank ihres Redeflusses in den im Film gezeigten Gesprächen oft das Heft in der Hand behält. „Diese Seite an ihr war auch mir neu, ich war überrascht, wie energiegeladen sie ist“, sagte Faltin, „Bekannte von ihr haben sie so beschrieben: Sie brennt an beiden Enden.“
Mutter selbst sagt im Film über sich, dass sie „auf der Bühne am privatesten“ sei – und auch Faltin hält ihr „professionelles Geerdet sein“ durchaus für einen Schutzmechanismus. „Es gab von ihrer Seite klare Vorgaben. Für den Dreh hatten wir etwa meist Zeitfenster von gut zwei Stunden. In diesen zwei Stunden war sie lustig, freundlich, zugewandt – und dann war sie weg.“ Auch habe Mutter klar kommuniziert, welche Themen nicht zur Sprache kommen sollten, wie etwa ihr Elternhaus oder ihre Einstellung zur Religion. Sie grenze sich klar ab und dafür habe sie Respekt, so Faltin. „Wer seit seinem 13. Lebensjahr in der Öffentlichkeit steht, lernt das und muss das auch – denn jeder, dem sie begegnet, will irgendetwas von ihr.“
Wichtiger als ihre Person empfindet Mutter ihr Engagement für die Musik. „Es geht darum, die klassische Musik dahin zu bringen, wo sie hingehört, in die Mitte der Gesellschaft“, sagt sie im Film. Mit ihrer eigenen Stiftung fördert sie daher Nachwuchsmusiker und tritt gemeinsam mit John Williams vor Star Wars-Fans auf. „Sie versucht, junge Leute für die klassische Musik zu gewinnen, das ist ihr ganz wichtig“, sagt Faltin.
Die Resonanz auf ihren Film erlebt Faltin als zweigeteilt. „Die einen sind von ihrem Wesen sehr eingenommen, die anderen schwer genervt“, sagt sie. Dies jedoch durch einen Kommentar im Film einzuordnen, wie ihr mancher geraten habe, habe sie abgelehnt. „Das muss schon jeder für sich selbst entscheiden.“
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