Einen Masterplan zur anspruchsvollen Gestaltung der Innenstadt hat sich Köln schon von einem der IHK nahestehenden Förderverein spendieren lassen. Sein Ziel: eine Korrektur der offensichtlichen Kölner Planlosigkeit in Sachen Stadtentwicklung. Demnächst soll es nun auch einen „Entwicklungsplan Äußerer Grüngürtel“ geben. Das Ziel diesmal: eine zukunftsfähige Gestaltung des Kölner Grüns. Und wieder soll das Frankfurter Architekturbüro Albert Speer den großen Wurf wagen. Vor kurzem hat es einen ersten Zwischenbericht vorgelegt.
ÖKOLOGISCHE VISIONEN
Die komplexen Zusammenhänge von Bauen und Wohnen, Verkehr und Mobilität, Energie und Klima, Grünflächen und Freiraum werden gelegentlich auch in Wahlkampfparolen beschworen. „Unsere Vision: Köln steigert sein ökologisches Bewusstsein und wird zu einem grünen Lebensraum“, fasst etwa die Kölner Kleinpartei Deine Freunde zusammen. Recht hat sie: Die Korrektur des Klimawandels braucht Grün. Dabei kommt der Domstadt ihr grünes Erbe zugute, das tief im Militärischen wurzelt. Die Stadt konnte sich nämlich ab 1880 nur erweitern, weil das Militär mit neuen Festungsanlagen auf Höhe Militärring weggerückt war. Noch 1914 war Köln von einem 42 Kilometer langen Frontgürtel inklusive Schussfeld und 182 Militäranlagen umgeben. Einige dieser Forts sind noch heute zu besichtigen. Zum Glück verlor Deutschland den Ersten Weltkrieg, sonst hätte OB Konrad Adenauer das soldatische Brachland kaum in Grünanlagen umwidmen können. Kölns Gartendirektor Fritz Encke propagierte dazu den „Volkspark“ mit Sportplätzen, Spielplätzen, Waldschulen, Schulgärten und Restaurants. Zunächst bauten 3.000 Billig-Jobber den inneren Grüngürtel mit dem Aachener Weiher und dem Lindenthaler Kanal. Schon früher entstandene Anlagen wie Flora und Vorgebirgspark wurden eingebunden. Bis Ende der 1920er Jahre kamen dann nach und nach der Äußere Grüngürtel zwischen Rodenkirchen und Müngersdorf und weitere Parks hinzu. Im Rechtsrheinischen reichte es nur zu einem Flickenteppich. Bei all dem hatte Adenauer nicht nur die Erholung der Kölner im Sinn, er wollte auch einen grünen Schirm gegen die Luftverschmutzung durch die nahen Kraftwerke der Rheinbraun AG schaffen. Dort saß der Alte übrigens im Aufsichtsrat.
PARKBÄNKE VON PROMIS
Heute nutzen die Kölner ihr Grün, wie sie lustig sind. Sie joggen, radeln, spielen Fußball, trinken Kaffee, grillen, musizieren, tanzen, fahren Bötchen, streicheln Tiere oder ruhen einfach nur. Seit den 1980er Jahren stehen Teile der Anlagen unter Denkmalschutz. Ihre Pflege gehört wie Oper und Schauspiel zu den sogenannten freiwilligen Aufgaben der Kommune, doch die Kassen sind leer, viele Areale der insgesamt 2.800 Hektar Grünfläche gammeln still vor sich hin. „Eigentlich reicht das Geld nur noch, um die Fahrzeuge zu betanken und ab und zu die Rasen zu mähen“, sagt Grünflächenamts- Vize Joachim Bauer. Entsprechend dankbar ist die Stadt, dass die 2004 von den Brüdern Paul Bauwens- Adenauer und Patrick Adenauer gegründete Grünstiftung Pflege und Erhalt der historischen Kölner Grünanlagen betreibt und dafür Sponsorengelder akquiriert. Inzwischen hat sie u.a. den Stadtwaldweiher in Lindenthal und den Kalscheurer Weiher im Äußeren Grüngürtel sanieren lassen. Hinzu kommen Fledermauskästen, Entenhäuser, Dogstations und 400 neue Bänke, für die Promis zahlen. Bauer wehrt sich gegen den Eindruck, die Stadt agiere im Auftrag der Adenauers. Die Planungshoheit verbleibe bei der Stadt: „Am Ende entscheidet die Politik.“ Was die Stiftung fertigstellt, gehe als Schenkung an die Stadt über. Trotzdem misstrauen Öko-Aktivisten dem geballten Adenauer-Grün, zumal mit Konrad Adenauer, dem Vorstandsvorsitzenden des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins, ein weiterer Enkel involviert ist. Als Vorsitzender des Vereins Fortis Colonia will er die verbliebenen Festungsanlagen aufmöbeln. „Eine intelligente und niveauvolle Nutzung der Forts wäre dem Image des Grüngürtels zuträglicher als das Prinzip der spontanen Aneignung mit entsprechend dilettantischer Ausführung“, trug die Grünstiftung unlängst dem Stadtrat vor.
GARTENSCHAU ALS RETTUNGSRING
Weil der Stadt das Geld (nicht nur) fürs Grün ausgeht, sucht man nach neuen Finanzquellen. Derzeit werden Pläne für eine Bewerbung zur Bundesgartenschau (BUGA) des Jahres 2023 gewälzt. Auch wenn das Datum weit weg scheint, läge Köln damit im Trend. Denn die BUGA steht längst nicht mehr nur für brandneue Parkanlagen, sondern dient zunehmend der Sicherung des „Bestandsgrüns“. Die Idee: Durch die Mobilisierung und Umwidmung von Fördergeldern werden Pleite-Städte in die Lage versetzt, ihre Gärten in Ordnung zu bringen. Allerdings müsste die Kölner Stadtpolitik dazu professionelle Überzeugungsarbeit in Düsseldorf leisten. Denn anders als der Name nahelegt, hat eine Bundesgartenschau nichts mit dem Bund zu tun. Finanziert wird das Ganze vor allem über Landesmittel, etwa durch Umwidmungen aus Töpfen für Stadtentwicklung oder Tourismus oder aus einschlägigen EU-Programmen. Hinzu kommen die üblichen Einnahmen aus Eintritt, Pacht, Gastronomie und Sponsoring. Die BUGAs der letzten Jahre haben je nach Konzept zwischen 75 und 150 Millionen Euro gekostet – eine hohe Summe, die sich allerdings über ein Jahrzehnt verteilt. Alles in allem wäre das auch unter schweren Haushaltsbedingungen machbar. Trotzdem bleibt eine gewisse Skepsis. Köln hat, was langfristige Planungen betrifft, schon häufiger danebengehauen. Dafür stehen der U-Bahn-Bau, der Umbau der Städtischen Bühnen oder die Bewerbung zur „Kulturhauptstadt Europas“.
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