Es passt. Zur Landschaft, zum Ausstellungsort, zu dessen Konzeption. Am Rhein bei Remagen befindet sich das Arp Museum, das sich dem Werk von Hans Arp widmet, der mit seinen abstrakt organischen Bildern und Skulpturen weltberühmt wurde. Oberhalb des dortigen – als Ausstellungs- und Konzertgebäude legendären – Bahnhofs Rolandseck ragt auf 40 m Höhe der Neubau von Richard Meier über den Mittelrhein mit seinen Bergen und Schlössern. Die aktuelle Ausstellung zum Motiv des Turms macht also besonders Sinn. Sie wendet sich vor allem der Gegenwartskunst zu. Selbst wenn die Kunstwerke frei assoziativ angelegt sind wie Arps Bronzeplastik „Turmmensch Trier“ (1961), die nur 11 cm hoch ist, so handelt es sich doch fast immer um vertikal gestreckte Konstruktionen. Mag sein, dass in der Ausstellungshalle zunächst der Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen ist und dies etwa dem 3,40 m hohen „Golden Tower“ des still pathetischen James Lee Byars schadet. Indes reagieren die Werke gut aufeinander. Neben Urformen und eigenen Erfindungen liegen konkrete Bezüge vor, etwa zum Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz, zum Eiffelturm oder – besonders originell – zum Schiefen Turm von Pisa.
Es gibt auch Gemälde: mit dem Turm der Rapunzel (von Markus Lüpertz) und dem Turmbau zu Babel (von Jan Brueghel d.J.). Thematisiert ist der Anschlag auf das World Trade Center in einer Installation von Malachi Farrell, aber gerade diese aufwändige Arbeit ist zu sehr auf Effekte aus. Überzeugender ist da schon die winzige Bronze „Happy Hour (Manhattan)“ von Peter Sauerer, bei der sich die Hochhäuser besoffen zur Seite biegen – oder ist es nur der Blick auf diese? Ein Erlebnis sind die filigranen Arbeiten von Thomas Virnich (der derzeit eine Einzelausstellung im Museum DKM in Duisburg hat), welche sich selbst gegen die bunten Menschentürme von Jörg Immendorff und die edel puristische Türmung weißer Absperrgitter von Bettina Pousttchi behaupten. Mit Francesco Bertos' „Allegorie der Weinlese“ aus der Mitte der 18. Jahrhunderts ist weitere ältere Kunst – zumal aus der im Museum beherbergten Sammlung Rau – berücksichtigt, ebenso wie die Ausstellung den Blick auf liturgische Geräte früherer Jahrhunderte lenkt. Deutlich wird, dass über das Architektonische mit den Motiven des Aus- und Überblicks, des Markierens, Schützens und Wohnens hinaus total verschiedene Bedeutungen, Verweise und symbolische Ebenen möglich sind und dass der Turm in unserem geschichtlichen und körperlichen Bewusstsein fest verankert ist. Welche Rolle dabei gerade die Sagen und Märchen spielen, zeigt die vielleicht erstaunlichste Arbeit: eine Klanginstallation von Christina Kubisch, in Szene gesetzt mit den goldenen Haaren der Rapunzel, die zusätzlich für die Höhe sensibilisiert und den Bahnhof mit dem Neubau verbindet.
Und ein Weiteres passt so gut: Während also am Mittelrhein die Türme hoch aufragen, sind auf Schloss Moyland am Niederrhein Beispiele für den flachen Horizont zu sehen. Dort zeigt die Ausstellung „Der Himmel so weit“ Landschaftsdarstellungen zu dieser Region seit dem 17. Jahrhundert. Vom einen Ende NRWs zum anderen ändert sich einiges: in der Landschaft und in der Kunst.
„Rapunzel & Co. Von Türmen und Menschen in der Kunst“ | bis 31.8. | Arp Museum Bahnhof Rolandseck | 02228 942 50
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