Themen, die von der Zukunft des Menschen und seiner Menschlichkeit handeln, setzt man doch am besten mit zeitgenössischen Verfahren um: Mit ihren auf den neuen Medien basierenden Werken gehört Louisa Clement zu den wichtigen Künstler:innen der jüngeren Generation. Clement, die an der Kunstakademie Düsseldorf bei Andreas Gursky studiert hat, wurde 1987 in Bonn geboren. Sie ist nun, sozusagen folgerichtig, mit dem Bonner Kunstpreis ausgezeichnet worden. Die Ausstellung, die ihr dazu im dortigen Kunstmuseum eingerichtet wurde, kommt mit vier Werken aus, die unsere Kreatürlichkeit und Individualität in Zeiten der Reproduzier- und Ersetzbarkeit mittels technischen und wissenschaftlichen Fortschritts hinterfragen.
Beim Betreten des Ausstellungsraumes schaut man auf ein Video, das mit Laborbildern, Statistiken und zuspitzenden Textzeilen den molekularbiologischen Eingriff mit der Gen-Schere und damit die Veränderung und Optimierung von Leben zur Diskussion stellt. Wie weit dürfen Wissenschaft und Medizin gehen, wann hört der Mensch auf, ein einzigartiges Wesen zu sein? Das zweite Video zeigt Avatare. Ein Prediger trägt einen mit Künstlicher Intelligenz generierten Text vor; Menschen, die auf dem Monitor einmal scharf zu sehen sind, dann im lichthellen Raum verblassen, repetieren den Text wie das Mantra einer religiösen Gemeinde – doch alle Personen und auch der Prediger sind künstlich am Computer entstanden. Sie sind perfekt und folgsam und verwirklichen mit anderen Mitteln die Entmenschlichung – und das Verschwinden des Menschen, auch wenn sie ganz genauso wie Menschen aussehen.
Wie nahe sich Glaube und Wissenschaft kommen, demonstriert die stillste Arbeit der Ausstellung. Wie eine Reliquie ist, geschützt unter einem Glassturz, eine winzige Kapsel aufgerichtet. In ihr hat Louisa Clement ihr bisheriges künstlerisches Werk mit einer extremen Haltbarkeit archiviert. Sie zeigt, wie vom Menschen nur noch seine Effizienz bleibt, die aber dafür, in Zeiten zunehmender Ortswechsel, verfügbar und für die Ewigkeit als Dokument gespeichert ist. Aber ist das noch der Mensch? Was macht den Menschen aus?
Louisa Clement – Becoming Lost | bis 16.6. | Kunstmuseum Bonn | 0228 77 62 60
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