Ein Boot auf einem schmalspurigen metallischen Gleis eröffnet die Ausstellung des Kunstmuseums Bonn für das mit performativen Devotionalien überfüllte Beuys-Jahr 2021. Die Arbeit Fermata (Keramik, Stahl, 2020) von Katinka Bock zitiert konzentriert absichtslos eine ähnliche Formensprache wie die des ehemaligen Düsseldorfer Kunstprofessors. Rutscht die einbaumartige Keramik etwa oder korrespondiert sie mit dem Fisch auf dem alten Radiator in der Installation „Landumland“ (2019)?
Interaktionen mit Ideen und Konstruktiverem im Denken von Joseph Beuys ist die Prämisse der Ausstellung, die neben Katinka Bock auch die zeitgenössischen Künstler Christian Jankowski und Jon Rafman zeigt. Der Parcours führt gleichzeitig durch Räume voller Multiples – das Museum besitzt wohl eines der größten Konvolute weltweit – die in die inhaltlichen Schwerpunkte: Bild – Welt / Natur – Prozess / Sprache – Aktion strukturiert sind.
Dass der Austausch damit nicht nur sinnlich sondern durchaus auch hinterlistig sein kann, zeigen die Arbeiten von Christian Jankowski, der sich wohl auf das Alter Ego Prof. Joseph Beuys, Institut for Cosmetic Surgery, bezieht und seine Fotos und ein Video „Social plastic surgery“ (2021) nennt. Er stellt in Operationssälen augenzwinkernd Bild-Ikonen aus dem Leben des Fluxus-Künstlers nach, in „I like America and America likes me“ wird der Tropferhalter zum Hirtenstab, nur der Coyote fehlt natürlich, dafür ist das Posen im grünen OP-Kittel wie auf dem Beuys-Poster „La rivoluzione siamo Noi“ (Die Revolution sind wir, 1972) ziemlich authentisch.
Der hätte sicher nichts dagegen gehabt – sein „Ich kenne kein weekend“ (1971/72) mit Kant-Reclamheft und einer Maggi-Flasche hatte ebenso hintergründigen Humor und Witz, wie auch die ausgestellte Capri-Batterie (1985). Ebenso hintergründig, aber wesentlich böser ist die Videoarbeit „Punctured Sky: Vol. 1 (4-Kanal Video, 2021) von Jon Rafman. Über drei Screens und eine großen Videowand flackern abstruse Bildwelten, deren Strukturen collagenartig die Wirklichkeit verhöhnen und das Zuschauen zur echten Arbeit am sozialen Körper werden lassen.
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