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Bernd Streitberger
Foto: Presse

„Fehler identifizieren, Fehler heilen“

31. Juli 2019

Bernd Streitberger über die Sanierung der Bühnen Köln – Premiere 08/19

Nur wer einmal eine Führung durch die derzeit brachlegenden Bühnen am Offenbachplatz gemacht, versteht, was dort bei der Sanierung schiefgegangen ist. Unzugängliche Lüftungsanlagen, überbelegte Schächte, Brandschutztüren, die sich nicht schließen lassen. Seit 2015 versucht ein Team unter Leitung von Bernd Streitberger, dem Technischen Betriebsleiter der Bühnen, die Sanierung wieder in Gang zu bringen. Jetzt wurden erstmals belastbare Zahlen und ein Zeitrahmen genannt.

choices: Herr Streitberger, zwei Zahlen: Wann werden die Bühnen Köln eröffnet und wie viel wird es kosten?
Bernd Streitberger: Die neue Kostenberechnung, die auf der neuen Planung basiert, kommt auf Kosten von 554 Millionen bis 571 Millionen und die schlüsselfertige Übergabe der fertigen Häuser erfolgt im zweiten Quartal 2023.

Beginnen wir bei den Kosten. Nachdem die ursprünglich geplanten 253 Mio. Euro 2015 Makulatur geworden waren, haben Sie bei einer ersten Schätzung vor zwei Jahren von einem Korridor von 554 bis 570 Mio. Euro gesprochen. Daran hat sich nichts geändert. Ist das schon ein Erfolg?
Wir arbeiten hier sehr akribisch. Wir haben auch bei der Prognose vor zwei Jahren versucht, die Kosten unter den gegebenen Umständen, damals also ohne belastbare Planung, so gewissenhaft wie möglich zu ermitteln. Und die nun vorgestellte, aktualisierte Kostenberechnung bestätigt mich, dass das damals keine schlechte Arbeit war. Es gibt wie auf jeder Großbaustelle in diesem Stadium natürlich immer noch Risiken. Die sind in den 571 Mio. Euro mit eingepreist, sonst wären es 554 Mio. Euro. Das größte Risiko steckt im Augenblick in der Auftragsvergabe an die Firmen für die Haustechnik. Wir müssen Firmen gewinnen, die das können und wollen. Außerdem ist Zeit auch Geld: bei uns kostet jeder Tag 80 000 Euro, also jeder Monat rund 2,5 Millionen Euro.

Und die Interimskosten?
Die kommen noch dazu, die sind in der DIN 276, nach der Baukosten ermittelt werden, nicht enthalten. Im Schnitt kostet das Interim neun bis zehn Millionen pro Jahr.

Zum Zeitrahmen: Bei der Fertigstellung lag die bisherige Prognose bei Ende 2022, jetzt nennen Sie das 2.Quartal 2023. Sind Sie zufrieden mit der Treffsicherheit?
Treffsicherheit würde ich das jetzt nicht nennen. Wir brauchen ein halbes Jahr länger. Zum einen haben unsere Planer bislang drei Monate länger gebraucht als angenommen. Zum anderen benötigen wir drei zusätzliche Monate für die Inbetriebnahme und für die Bauausführung.

Was heißt schlüsselfertige Übergabe?
Das heißt konkret, dass wir hier mit unserer Bauaufgabe fertig sind. Das 2. Quartal 2023 ist der Zeit­punkt, zu dem ich den Schlüssel für vier spielfertige Bühnen übergebe. Ich halte im Augenblick den Spielbetrieb komplett außen vor. Aber ich bin mir darüber im Klaren, dass wir in den nächsten drei Jahren immer intensiver die Umzüge zurück an den Offenbachplatz vorbereiten müssen, also z.B. Dinge aus den Interimsspielstätten hier wieder einbauen müssen. Das heißt, der Austausch wird in den nächsten Jahren kontinuierlich zunehmen. 

Das kleine Haus wurde jetzt schon bespielt. Ist eine etappenweise Eröffnung z.B. der Kinderoper und des kleinen Hauses eine Option?
Wir haben uns ganz klar dafür entschieden, nichts vorher zu übergeben. Eine wesentliche Problem­stellung der Haustechnik ist, dass sich die Spielstätten haustechnische Anlagen teilen und deswegen eine teilweise Fertigstellung in vielen Punkten gar nicht möglich ist. Wir übergeben also das gesamte Ensemble Mitte 2023.

Heißt das, dass der Spielbetrieb dann sofort beginnen kann?
Wir fahren jetzt schon die Bühnenmaschinerie in Oper und Schauspiel, um Mängel zu identifizieren und abzustellen. Dabei schulen wir gleichzeitig die Bühnenarbeiter, die aktuell einmal pro Monat hier sind. Im Übrigen werden auch Leute aus meinem Team, die für Bühnentechnik und Haustechnik ver­antwortlich sind, auch nach der Wiedereröffnung bei den Bühnen der Stadt bleiben. Wann der Spiel­betrieb losgeht, ist dann die Entscheidung der Intendanten.

Die Sanierung wurde im Juli 2015 gestoppt. Es wurden damals tausende Mängel aufgelistet. Können Sie nochmal kurz die Big Points dieser Mängelliste benennen?
Die Bühnen hatten während der Sanierung einen Gutachter zur Qualitätskontrolle auf der Baustelle beauftragt, der eine Liste mit 8.000 Mängeln erstellt hat. Darin waren alle offenen Punkte, aber auch Restleistungen von Firmen verzeichnet. Diese Liste ist von uns qualifiziert worden und hat sich auf über 11.000 Punkte erweitert. Die von Ihnen angesprochenen Big Points haben wir 2017 aus diesen Listen als Koordinaten für die damalige Prognose herausgearbeitet. Heute wissen wir, dass die Haustechnik 8.054 Mängel aufweist, der Rest ist Theatertechnik und Hochbau. Die Mängel bestanden größtenteils darin, dass die Haustechnik teilweise völlig unkoordiniert geplant und gebaut wurde. Ein weiteres gro­ßes Problem ist daraus folgend der Brandschutz.

Wie ist denn der Fertigstellungsgrad der einzelnen Gewerke?
Bei der Bühnentechnik haben wir um die 100 Prozent, beim Gebäude 95 Prozent, bei der Haustechnik 60-70 Prozent. Beim Gebäude sind wir mit der Ausführung der Klinker-Fassade noch nicht zufrieden. Eine große Herausforderung in der öffentlichen Darstellung ist, dass die aufwendige und teure Haustech­nik im Keller verbaut ist. Die sieht kein Mensch. Viele Bürgerinnen und Bürger betrachten die Gebäude von außen und messen die Qualität unserer Arbeit nach dem optischen Eindruck. Wenn wir also die Außenhaut nicht perfekt hinkriegen, dann haben aus dieser Perspektive unseren Job nicht erledigt, obwohl dieser Sanierungsteil tatsächlich nur einen Bruchteil unserer Anstrengungen aus­macht.

Hätten Sie die mangelhaften Bauteile nicht einfach rausreißen und neu bauen können? Oder hätte das Folgen für die 2012 erteilte Baugenehmigung gehabt?
Der Weg, den wir gehen wollten, lautete: Fehler identifizieren, Fehler heilen. Das bedeutet gerade nicht, dass wir alles rausreißen. Maßgabe für die Planer war immer, so viel wie möglich zu erhalten. Die bereits einbauten technischen Anlagen sind ja Werte, die bezahlt sind. Wir haben eine Baugeneh­migung aus dem Jahr 2012 und die wird nicht angetastet. Schon die darin enthaltenen Normen erfor­dern Technik in einem Raumumfang, der für die Bestandsgebäude aus den Jahren 1957 und 1962 eine Riesenherausforderung darstellt. Und die Auflagen haben sich seit 2012 eher noch verschärft. Würden wir also beispielsweise die Lüftungsanlage abbrechen, dann müssten wir ein neues Lüftungsgesuch stellen. Das würde praktisch bedeuten, einen neuen Bauantrag zu stellen.

Wann geht es auf der Baustelle weiter? 
Wir haben in den letzten vier Jahren mit allen Firmen gesprochen, das waren über hundert Gespräche. Mit 50 Prozent der Firmen haben wir Vereinbarungen treffen können, unter welchen Bedingungen wir weitermachen. Bei einem Viertel der Firmen, die z.B. im Rohbau ihre Arbeiten abgeschlossen haben, haben wir die Verträge schlussgerechnet. Von einem Viertel haben wir uns getrennt, respektive die Firmen haben sich von uns getrennt. Deswegen müssen wir fünf große Gewerke der Haustechnik neu ausschreiben, Kälte, Wärme, Sprinkler, Elektrik, Lüftung. Damit wir in der aktuell vorherrschenden Hochkonjunktur auch die notwendigen Angebote bekommen, betreiben wir einen ziemlichen Auf­wand. Wir versuchen, Firmen für uns zu gewinnen, die partnerschaftlich mit uns gemeinsam dieses Sanierungsprojekt zu Ende führen wollen. Die Bauarbeiten werden aber bereits jetzt im Herbst wieder intensiviert: Wir beginnen mit kleineren und mittleren Maßnahmen als vorbreitende Arbeiten. Denen folgen dann nach und nach die Gewerke der Haustechnik.

Interview: Hans-Christoph Zimmermann

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