„Der“ Kammermusiksaal fehlt in Köln gewiss. Säle gibt es wahrlich genug, aber die meisten klingen nicht oder sind von Außenschall beeinträchtigt. Deshalb wissen Kammermusikfreunde seit vielen Jahren, dass ein solches Kleinod im Betriebsgebäude des Deutschlandfunks zu finden ist. Der Sender veranstaltet dort selbst die Reihe „Raderbergkonzerte“, benannt nach dem Ortsteil im Kölner Süden, in dem der Sendesaal liegt. Als Tonstudio verfügt er über eine sehr trockene Akustik, aber selbst beim Kunstlied-Abend kommt dies der Textverständlichkeit entgegen. Ideal ist es für Klavierabende und selbstverständlich für die Kaiserdisziplin: das Streichquartett.
Am 8.11. trommeln zunächst 20 Finger auf der Tastatur. Es gastiert das Piano-Duo Ani und Nia Sulkhanishvili, Zwillingsschwestern, die sich nicht nur die Leidenschaft für das Klavierspiel teilen, sondern auch die Buchstaben ihrer Vornamen. Sie erinnern zunächst an eine jugendliche Ausgabe der sympathischen Labeque-Schwestern. Aber lebt dieses Duo von den unterschiedlichen Temperamenten der Französinnen, so toben in der Neuausgabe zwei gleichgestimmte Heißblüter. Mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass sich die Zwillinge auch klanglich am Instrument eineiig ähneln. Von „absoluter Gleichsinnigkeit“ sprach ein Kritiker in München, wo die beiden georgischen Damen seit einigen Jahren leben. Nach Köln kommen sie mit Debussy, Dvorák und Ravel im Gepäck, besonders die „Rapsodie espagnole“, die sie jüngst auch auf CD eingespielt haben, wird den expressiven Kräften der Ladys gerecht werden.
In London residiert das Busch-Klaviertrio, benannt nach dem großartigen Geiger Adolf Busch, der seinen führenden Vornamensvetter 1933 lieber gehängt sehen wollte und entsprechend zügig nach Amerika emigrierte: Um dort mit seinem Bruder und dem legendären Rudolf Serkin das Busch-Serkin-Trio zu gründen. Aus Israel und den Niederlanden stammen die drei Interpreten des „neuen“ Busch-Trios. Sie tafeln Henze, Beethoven und Tschaikowski auf, Programm für jede Gemütslage (13.12.).
Im Januar (17.1.) erklingen Lieder von Brahms, Wolf und Schubert, wenn Günther Groissböck statt zu großen Solopartien in Opernhäusern auf der ganzen Welt zu einem seiner seltenen Liederabende einlädt. Der 40-Jährige befindet sich auf einem ersten Höhepunkt seiner Karriere, selbst die Ritterschläge durch die Festivalperlen in Salzburg und Bayreuth sind längst Schnee von gestern. Er singt den Ochs im Rosenkavalier in München, New York und Wien. Letztere Kunstmetropole hat der niederösterreichische Bassist schon als Student erobert. Entsprechend seiner aktuellen Reputation unterstützt seine Liedexkursion Gerold Huber – einer der besten Liedbegleiter.
Echte Streichquartett-Stars sind das traditionsreiche Leipziger Gewandhaus-Quartett (14.2.), in dem immer die aktuellen Stimmführer des Orchesters dienen und die den Flötisten Sébastian Jacot mitbringen, und das Signum Quartett mit dem zusätzlichen Cellisten Paul Watkins (14.3.), die u.a. mit der Aufführung von über Twitter zugeschickten Mini-Kompositionen namens „#quartweets“ für Aufsehen sorgen: Das interaktive Konzert sucht sich neue Wege.
Raderbergkonzerte | je 20 Uhr | Deutschlandfunk Kammermusiksaal | www.deutschlandfunk.de
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