choices: Herr Dr. Landsberg, gibt es eine Partei, die sich nicht für die kommunale Selbstverwaltung ausgesprochen hat?
Dr. Gerd Landsberg: Natürlich sprechen sich alle Parteien für die Stärkung der Städte und Gemeinden aus. Diesem Bekenntnis müssen Taten folgen. Wir brauchen grundlegende Reformen auf dem Weg von Vater Staat hin zum Bürgerstaat. Unverzichtbar ist eine Neuordnung des Sozialsystems, weil wir nicht mit immer weniger jungen Menschen bessere und zusätzliche Leistungen für die ältere Generation erwirtschaften können. Ein zukunftsfester Sozialstaat muss Bürokratie abbauen, die Leistungen vereinfachen und zielgerichtet den Bedürftigen helfen. Nicht die stete Erhöhung von Transferleistungen, sondern die Schaffung von mehr Chancengerechtigkeit durch eine Verbesserung der Bildungs- und Betreuungssysteme ist richtig. Unverzichtbar ist auch die weitere Entlastung der Kommunen. Der Bund muss die über 14 Milliarden Euro pro Jahr für die Eingliederungshilfe für Behinderte übernehmen, denn dabei handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche und keine kommunale Leistungsverpflichtung.
Die Haushaltskonsolidierung gilt als kommunale Daueraufgabe – seit wann?
Über drei Jahrzehnte sind Aufgaben – insbesondere im Sozialbereich – ohne ausreichende Finanzierung auf die Kommunen übertragen worden. Seit 1989 haben sich die Ausgaben für soziale Leistungen auf über 46 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Hier müssen die Reformen ansetzen, damit die Städte und Gemeinden endlich wieder mehr Spielraum bekommen.
Trotz steigender Steuereinnahmen sinkt die Verschuldung der Kommunen kaum. Warum?
Die Verschuldung sinkt kaum, weil die Ausgaben immer noch schneller steigen als die Einnahmen.
Wie ernst darf man das Konnexitätsprinzip noch nehmen?
Der Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt“ ist in allen Landesverfassungen verankert. Damit haben die kommunalen Spitzenverbände einen wichtigen Erfolg errungen. Bei neuen Aufgaben, die uns übertragen werden, fordern wir dies ein – ggf. auch durch erfolgreiche Klagen wie z. B. bei der Finanzierung des Kita-Ausbaus in Nordrhein-Westfalen.
Teile der kommunalen Infrastruktur gelten schon länger als marode.
Bei Schulen, Straßen und öffentlichen Gebäuden wird seit Jahren eher geflickt als grundlegend renoviert. Die zur Verfügung stehenden Investitionsmittel – in den vergangenen Jahren waren es durchschnittlich nur ca. 21 Mrd. Euro – bleiben in Anbetracht des von der KfW bezifferten Investitionsstaus von 128 Mrd. Euro knapp. Umso weiter dringend notwendige Investitionen nach hinten verschoben werden, desto größer und damit teurer fällt der Nachholbedarf letztlich aus.
Wie viel Geld wird dafür in den nächsten vier Jahren zur Verfügung stehen?
Es wird eine zentrale Aufgabe der neuen Bundesregierung sein, den Investitionsstau, der die Bürger belastet, das Wirtschaftswachstum behindert und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beeinträchtigt, aufzulösen.
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