In unserer Region war zuletzt 2011 eine Ausstellung mit Anatol zu sehen: im Kunstmuseum Bochum, aus Anlass seines 80. Geburtstags. Nun zeigt das Museum Ratingen einen konzentrierten Einblick in den künstlerischen Kosmos des berühmten Düsseldorfer Künstlers, der auf der Museumsinsel Hombroich bei Neuss sozusagen unter den Augen der Besucher arbeitet.
Die Ausstellung in Ratingen mit ihren Malereien, Zeichnungen und Holzskulpturen, die sämtlich gegenständlich sind, funktioniert auch ohne die Persönlichkeit von Anatol selbst. Aber eine konsequente Bereicherung war doch vor kurzem seine Präsenz: als quicklebendiger Vortragender, der in der Ausstellung die Distanz zwischen Kunstwerk und Betrachter aufhob und noch die Einflüsse seiner Biographie auf die Kunst anklingen ließ. Sehr schnell wurde deutlich, wie sehr Arbeiten, Leben und Kunst für Anatol eine Einheit bilden, die weit in den Alltag hineinreicht – dies wird bei den Werken noch in der Unmittelbarkeit und Anschaulichkeit der künstlerischen Mittel und der Bildsprache unterstrichen.
Anatol, der eigentlich Karl-Heinz Herzfeld heißt, aus Ostpreußen stammt und im Krieg in den Westen geflohen ist, wurde in Ratingen zum Kunstschmied ausgebildet, von 1953 bis 1991 hat er hauptberuflich als Verkehrspolizist in Düsseldorf gearbeitet. Dazu führte er in den Schulen Puppenspiele auf – schon den Polizeidienst versteht er als Teil der künstlerischen Aktivität. Über Norbert Tadeusz und Blinky Palermo lernte er Beuys kennen, der ihn 1964 in seine Klasse an der Düsseldorfer Kunstakademie aufnahm. Anatol wurde zu einem der treuesten Gefolgsleute. Er fuhr im Oktober 1973 Beuys mit dem Einbaum über den Rhein in Düsseldorf, als dieser als Professor an der Akademie entlassen wurde, und gründete selbst – ganz im Sinne von Beuys – 1975 eine freie Akademie Oldenburg, bei der er seine Konzeption weiter verdichtete. Bis heute setzt er seine Überlegungen auf Hombroich fort, wo er seit 1982 eine Werkstatt besitzt, auf dem Gelände befinden sich archaische knappe Formulierungen zwischen Architektur und Natur, die ein Parlament, eine Kirche und eine Schule symbolisieren. Angesprochen sind hier und in seinem ganzen Werk Heimat und Tradition, menschliche Beziehungen und die Verbundenheit in der Religion, die Achtung der Natur, Verantwortung in der Gesellschaft und auch Geselligkeit: Anliegen, die sich aus der Verbindung von Kunst, Arbeitsprozess und Aktion – dafür hat Anatol den Begriff „Arbeitszeit“ als „Label“ seiner Kunst erfunden – herauskristallisieren. Das alles wirkt leichthin und energisch. Anatol hat eine Botschaft, für die er sich seit fünf Jahrzehnten engagiert einsetzt. Deutlich wird dies in seiner Ausstellung in Ratingen.
„Anatol. Arbeiten aus der Sammlung Gertz“ | bis 24.8. | Museum Ratingen | Do 12.6. 18 Uhr Anwesenheit des Künstlers | 02102 550 41 80
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