Bürgervereine sind lang etablierte politische Gremien, die in der politischen Landschaft wichtige basisdemokratische Aufgaben übernehmen. Die Ehrenfelder Bürgervereinigung ist eine solche Institution, die den direkten Draht zu den Veedelsbewohnern hat. Der Vorsitzende Johannes Maulbach über seine Arbeit.
choices: Herr Maubach, die Ehrenfelder Bürgervereinigung nimmt seit fast 60 Jahren basisdemokratische Aufgaben wahr. Als sie begann, war der Begriff Basisdemokratie noch nicht erfunden.
Johannes Maubach: Das ist richtig. Der Rat war weit, und die Bürgervereinigung war seinerzeit Sprachrohr der Menschen im Viertel. Sie stellte die Verbindung zur Politik her. Die Themen der damaligen Zeit waren aus heutiger Sicht höchst aktuell. Die Sanierung (Alt-)Ehrenfelds war in den 1950ern Thema. Und im Jahr 1966 forderte der Bürgerverein bereits die Einrichtung einer Bezirksvertretung.
Machen dezentrale politische Gremien wie eine Bezirksvertretung die klassische Bürgervereinigung nicht überflüssig?
Nein! Es hat sich nämlich gezeigt, dass es gerade für die vielen traditionsreichen Vereine schwerer ist, ihre Wünsche geltend zu machen. Die Wege sind für sie länger geworden.
Wenn Bürgervereine ähnlich wie ein gewähltes politisches Gremium arbeiten, was ist denn anders?
Das Andere äußert sich schon im Satzungsziel. Der Verein ist parteipolitisch und konfessionell neutral. Wir widmen uns der Heimatgeschichte, wir unterstützen die lokale Kunst- und Kulturszene, haben uns als aktuelles Ziel Integration und Verständigung der multikulturellen Gruppen im Stadtteil Ehrenfeld zum Ziel gesetzt und vergessen dabei nicht, ursprüngliche Schwerpunkte wie die Erhaltung historischer Bauwerke oder die Förderung des traditionellen Karnevalsbrauchtums und des Heimatgedankens.
Was ist daran positiv, dass es neben dem Bürgervereinsvorsitzenden einen Bezirksbürgermeister gibt?
Ganz einfach. Da er vor Ort lebt und wirkt, ist er (der Bezirksbürgermeister, Anm. d. Red.) greifbar, Dinge können schnell und spontan angesprochen werden. Die Bezirkspolitik ist nicht so weit entfernt wie der Rat.
Was sind im Rückblick die wichtigen Leistungen der Ehrenfelder Bürgervereinigung?
Die Bürgervereinigung hat 1958 zum Beispiel die Herausgabe des Ehrenfelder Wochenspiegels, der Keimzelle des Kölner Wochenspiegels, initiiert. Auf ihren Druck hin wurde seinerzeit die A57 in Tieflage gebaut und überdeckelt. Das waren große Themen, die heute eine Bezirksvertretung anpacken würde.
Ist eine Bürgervereinigung alten Stils dann nicht überflüssig geworden? Passen Bürgervereine noch in unsere politische Landschaft, und was müsste sich ändern?
Wie unsere Satzung uns vorgibt, sind Themen wie Geschichts- und Heimatpflege wichtige Arbeitsschwerpunkte. Das heißt nicht, dass der Verein sich beispielsweise nicht auf seine Weise an der Diskussion ums Helios-Gelände beteiligt. Wir sind aber ein buchstäblich „alter“ Verein. Wir müssen jünger werden und auch Menschen mit Migrationshintergrund integrieren. Deshalb haben wir auch einen neuen Kassierer gewählt, der erst 27 Jahre alt ist. Er muss nun länger im Amt bleiben, als er jetzt alt ist. (lacht)
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Auf der Suche nach unbekannten Größen
Veedel, Stadtteil, Stadtbezirk, Bezirksbürgermeister – THEMA 02/12 IN UNSEREM VEEDEL
„Gemeinsam für den Bezirk“
Helga Blömer-Freker, Andreas Hupke und Josef Wirges über das Amt des Bezirksbürgermeisters – Thema 02/12 In unserem Veddel
„Ein Überbietungswettbewerb zwischen den EU-Staaten“
Teil 1: Interview – Migrationsforscherin Leonie Jantzer über Migration, Flucht und die EU-Asylreform
„Die Kategorie Migrationshintergrund hat Macht“
Teil 2: Interview – Migrationsforscher Simon Moses Schleimer über gesellschaftliche Integration in der Schule
„Es braucht Kümmerer-Strukturen auf kommunaler Ebene“
Teil 3: Interview – Soziologe Michael Sauer über Migration und Arbeitsmarktpolitik
„Früher war Einkaufen ein sozialer Anlass“
Teil 1: Interview – Wirtschaftspsychologe Christian Fichter über Konsum und Nostalgie
„Nostalgie verschafft uns eine Atempause“
Teil 2: Interview – Medienpsychologe Tim Wulf über Nostalgie und Politik
„Erinnerung ist anfällig für Verzerrungen“
Teil 3: Interview – Psychologe Lars Schwabe über unseren Blick auf Vergangenheit und Gegenwart
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 1: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 2: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
„Ich muss keine Konsequenzen fürchten“
Teil 3: Interview – Spieleautor und Kulturpädagoge Marco Teubner über den Wert des Spielens
„Die Bürger vor globalen Bedrohungen schützen“
Teil 1: Interview – Politikwissenschaftler Oliver Treib über Aufgaben und Zukunft der Europäischen Union
„Mosaik der Perspektiven“
Teil 2: Interview – Miriam Bruns, Leiterin des Goethe-Instituts Budapest, über europäische Kultur
„Der Verkauf des Kaffees nach Europa ist gestoppt“
Teil 3: Interview – Sebastian Brandis, Sprecher der Stiftung Menschen für Menschen, über das EU-Lieferkettengesetz
„Tiefseebergbau ohne Regularien wäre ganz schlimm“
Teil 1: Interview – Meeresforscher Pedro Martinez Arbizu über ökologische Risiken des Tiefseebergbaus
„Wir müssen mit Fakten arbeiten“
Teil 2: Interview – Meeresbiologin Julia Schnetzer über Klimawandel und Wissensvermittlung
„Entweder flüchten oder sich anpassen“
Teil 3: Interview – Klimaphysiker Thomas Frölicher über ozeanisches Leben im Klimawandel
„Es liegt nicht am Gesetz, Kriminalität zu verhindern“
Teil 1: Interview – Kriminologe Dirk Baier über Gewaltkriminalität und Statistik
„Prüfen, ob das dem Menschen guttut“
Teil 2: Interview – Publizist Tanjev Schultz über ethische Aspekte der Berichterstattung über Kriminalfälle
„Eltern haben das Gefühl, sie müssten Buddhas werden“
Teil 3: Interview – Familienberaterin Nina Trepp über das Vermeiden von psychischer Gewalt in der Erziehung
„Ernährungsweisen verändern, ohne Zwang“
Teil 1: Interview – Tierethikerin Friederike Schmitz über vegane Ernährung
„Naturschutz wirkt“
Teil 2: Interview – Biologin Katrin Böhning-Gaese über Biodiversität, Wildtiere und Naturschutz
„Sie verstehen uns“
Teil 3: Interview – Tierhistorikerin Mieke Roscher über die Beziehung zwischen Menschen und Tieren
„Was nicht erlaubt ist: Druck ausüben“
Teil 1: Interview – Autor Sebastian Schoepp über Freundschaften
„Bin ich eifersüchtig oder eher neidisch?“
Teil 2: Interview – Paarberaterin Sonja Jüngling über sexuelle Kontakte außerhalb einer Paarbeziehung