Der Kölner ist bekannt dafür, dass er sein Veedel liebt, sagt man jedenfalls. Und er kennt sich auch sonst aus in der Stadt. Ob Dom, FC, Kölsch oder Karneval: Er ist im Bilde. Man sollte ihn allerdings nicht nach dem Bürgermeister seines Bezirks fragen, das bringt auch politisch versiertere Köpfe in Verlegenheit. Für den einfachen Bürger ist es schon schwer genug, sich an den Namen des amtierenden Oberbürgermeisters zu erinnern. Schramma? Nein, der ist zusammen mit dem Kölner Stadtarchiv entschwunden. Steht aber noch in der Zeitung, wenn es um den Moscheebau geht. Da müht er sich um Schadensbegrenzung. Der Neue heißt … Rot, Roter, Röter? Jedenfalls ist der von der SPD. Ja, Roters mit „S“ am Ende, der mit dem Marathon. Aber wer ist Willi Stadoll? Oder Josef Wirges? Beim FC spielen die nicht. Wir machen kein Quiz, deshalb die schnelle Antwort. Stadoll „regiert“ im Rathaus Porz am Friedrich-Ebert-Ufer und steht der obligatorischen 19köpfigen Bezirksvertretung vor. Ins Amt kam der Sozialdemokrat mit Hilfe der Grünen. Kennen tut ihn auch in Porz trotzdem kaum jemand.
Sein Parteifreund Wirges residiert als Bezirksbürgermeister in Ehrenfeld und kann sich dagegen einer gewissen Prominenz erfreuen. Er ist in vielen Medien präsent, manchmal auch überregional. Denn in seinem Stadtbezirk steht Deutschlands berühmtester Moscheeneubau, ein paar Rechtsradikale sorgen in der Bezirksvertretung immer wieder für ein bisschen Zoff (und werden dann von Wirges des Feldes verwiesen). Auch die Baupläne für das Helios-Gelände sorgen für Zündstoff. Kurz: Wirges hat Presse. Er ist sozusagen der Global Player unter den neun Bezirksbürgermeistern in Köln. Vielleicht haben die ihn deshalb auch zu ihrem Sprecher gemacht. Mit ihm an der Spitze kämpft das Neunergremium beharrlich um mehr Rechte und vor allem um mehr Geld für die Bezirke.
Bunte Liste
Politisch gesehen geben die Bezirksbürgermeister ein buntes Bild. Fünf Posten hält die SPD (Nippes, Ehrenfeld, Mülheim, Kalk und Porz), die Grünen besitzen derer drei (Innenstadt, Chorweiler und Rodenkirchen). Für den schwarzen Tupfer sorgt derzeit Helga Blömer-Frerker. Ihr Bezirk heißt natürlich Lindenthal – und war seit jeher eine Hochburg der CDU. Sie versieht ihren Dienst wie ihre Kollegen für ganze 675 Euro im Monat. Das Geld muss auch noch versteuert werden.
Seit dem Inkrafttreten der „Kommunalen Gebietsreform“ am 1. Januar 1975 sind alle größeren Städte Nordrhein-Westfalens verpflichtet, bei sich neben dem obligatorischen Stadtrat auch sogenannte Bezirksvertretungen einzurichten. Es sollen nicht weniger als drei und nicht mehr als zehn Stadtbezirke geschaffen werden. Zum Stadtbezirk gehört eine Bezirksvertretung (mit elf bis neunzehn Mitgliedern), die wie der Stadtrat für fünf Jahre gewählt wird. Ihr „Vorsteher“ darf seit dem Jahr 2008 die Bezeichnung „Bezirksbürgermeister“ führen. Der „Bezirksvorsteher“ erinnerte doch zu sehr an die einstigen „Dorfvorsteher“. Dabei haben Kölns Bezirke bis zu 150.000 Einwohner – damit ist man nicht nur im Ruhrgebiet schon eigenständige „Großstadt“. Bevor die Bezirksvertretungen als repräsentative Organe für die ortsansässige Bevölkerung eingerichtet wurden, nahmen vor allem sogenannte Bürgervereinigungen die Rolle als Sprachrohr des Stadtteils wahr. Sie stellten den Kontakt zur Ratspolitik her und trugen auch Wünsche aus dem Veedel vor. Eine ihrer Standardforderungen war der Wunsch nach einer politischen Vertretung im Stadtteil. Damit bereiteten sie ungewollt den Weg zu ihrer eigenen „Entmachtung“ vor.
Dem Bezirk die Macht
Nach 37 Jahren Bezirksvertretung sind die heutigen Bürgermeister mit dem Erreichten wenig zufrieden. „Lange Jahre gab es Ratsmitglieder, die keine Freunde dezentraler Gewalt waren. Auch in meiner Partei“, räumt Wirges ein. Aber das ändere sich allmählich. Auch Helga Blömer-Frerker (CDU), Bürgermeisterin von Lindenthal, oder Andreas Hupke (Grüne), Chef des Bezirks Innenstadt, kennen inzwischen nur noch Befürworter der Bezirksvertretungen. Trotzdem ist das Verhältnis zwischen Rat und Bezirk nicht stressfrei. Nicht selten hebt auch heute noch der Rat Entscheidungen der Bezirkspolitiker auf oder bremst sie zumindest. Kein Wunder, dass die Verhandlungen über eine Änderung der „Zuständigkeitsordnung“ zwischen beiden Ebenen eher schleppend verlaufen. Schließlich bedeutet ein Mehr an Entscheidungskompetenz auch ein Mehr an Einfluss auf den städtischen Haushalt. Während der Gesamtetat, für den der Rat verantwortlich zeichnet, für 2012 bei rund 3,7 Milliarden Euro liegt, stehen der Bezirksvertretung zur eigenen Vergabe gerade mal 67.000 Euro zu. Das ergibt sich aus dem bisherigen Verteilerschlüssel. Danach schiebt die Zentrale den Bezirken 35 Cent pro Einwohner zu. Da 142.313 Kölner in Mülheim leben, aber im Bezirk Chorweiler nur knapp 80.000, kann dort Bezirksbürgermeisterin Cornelie Wittsack-Junge für Vereine und Kultur, bezirkliche Straßenbaumaßnahmen und Grün ganze 45.100 Euro vergeben. „Dabei wissen wir vor Ort doch viel besser, was an unseren Schulen im Bezirk Not tut, was bei unseren Grünanlagen im Argen liegt“, sagt Wirges. Da sind sich die Bezirksbürgermeister einig, egal ob sie der SPD, der CDU oder den Grünen angehören. „Parteiengezänk hat bei uns keinen Platz“, stimmt Blömer-Frerker zu. Nur so könne man gegenüber dem Rat Flagge zeigen.
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