Nicht ganz zwölf Jahre alt war Ruth Weiss, als sie mit ihrer Familie im Jahr 1936 von Deutschland nach Südafrika emigrierte. Doch schon damals sei ihr klar gewesen, dass sie „von einem Unrechtssystem in das nächste“ gekommen sei, so die heute 98-Jährige. Selbst mit ihren jungen Jahren habe sie damals ganz deutlich gespürt, dass die Ausgrenzung, die sie selbst in Deutschland unter anderem in der Schule erfahren habe, ganz ähnlich der Ausgrenzung war, die Schwarze gegenüber Weißen Menschen in Südafrika erfuhren. Gegen solche Ausgrenzung anzugehen, ist ihr in der Folge zum Leitfaden ihres Lebens und Wirkens geworden.
Und was für ein Leben das war: Nachdem sie zunächst bei einer Versicherung in Südafrika arbeitete, kam sie 1960 über ihren damaligen Mann Hans Weiss zum Journalismus. So berichtete sie unter anderem über die Apartheidspolitik in Südafrika – und wurde dafür auf eine Schwarze Liste gesetzt, von der sie erst 1991 wieder entfernt wurde. Auf Südafrika folgten Stationen in London, Sambia und Simbabwe. Sie lernte Politiker wie Nelson Mandela kennen, gründete eigene Journalist:innen-Gruppen, wurde 2005 durch PeaceWomen Across the Globe für den Friedensnobelpreis nominiert und erhielt für ihr Wirken 2014 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Doch Weiss ist vor allem auch für ihre zahlreichen Sachbücher und Romane bekannt, die von ihren eigenen Erfahrungen inspiriert sind. „Ich habe in sehr aufregenden Zeiten gelebt, und ich erzähle gerne Geschichten“, sagt die Autorin. Da sei es nur naheliegend gewesen, dass sie angefangen habe, Bücher zu schreiben. So erzählt „Meine Schwester Sara“ etwa von einer jungen Deutschen, die 1948 als Waisenkind nach Südafrika kommt – und dort von ihrer Adoptionsfamilie diskriminiert wird. 2002 erschienen, wurde das Buch seither auch von zahlreichen Schulen in Deutschland in den offiziellen Lehrplan aufgenommen und als Prüfungslektüre verwendet. Aber auch Sachbücher wie „The Women of Simbabwe“ aus dem Jahr 1986 gehören zu Weiss‘ Repertoire – und ihre 1994 erschienene Autobiografie „Wege im harten Gras“,aus der sie auch einige Abschnitte bei der Lesung in der Stadtbibliothek vortragen wird.
Ich, Europas blasses Judenkind: Lesung mit Ruth Weiss | Di 30.8. 19.30 Uhr | Stadtbibliothek Köln | www.stadt-koeln.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Vom Leben mit ADHS
Angelina Boerger in Köln – Lesung 02/23
Ost-West-Koproduktion
DDR-Kinoplakate zu West-Filmen – Festival 11/22
Märchenschloss und Kraftwerk des Wissens
Kölns Zentralbibliothek ist eine der interessantesten Bibliotheken Deutschlands – Kulturporträt 08/18
Zwischen System und Chaos
Bunker k101: Das kurze Leben der Eintagsfliege – Kunst 02/18
Der mediale Mythos Kennedy
John F. Kennedy in der Universitäts- und Stadtbibliothek – Kunst 11/17
Legenden sterben nicht
John F. Kennedy: Ausstellung zum 100. Geburtstag – das Besondere 11/17
Künstler, Händler und Käufer
„Köln auf dem Weg zur Kunstmetropole“ im Foyer der Universitätsbibliothek – Kunst 08/17
Kurzfilm-Schätze
Ava – Die Kurzfilmbibliothek in der Stadtbibliothek
Visionärer Klassiker
Eröffnung der Metropolis-Ausstellung in der Universitätsbibliothek – Kino 10/16
Doppelte Enthüllung
„Sputnik“ von Nikita Afanasjew – Literatur 12/24
Kampf den weißen Blättern
Zwischen (Auto-)Biografie und Zeitgeschichte – ComicKultur 12/24
Eine wahre Liebesgeschichte
Thomas Strässles „Fluchtnovelle“ – Textwelten 12/24
ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24
Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24
Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24
Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24
Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24
„Keine Angst vor einem Förderantrag!“
Gründungsmitglied André Patten über das zehnjährige Bestehen des Kölner Literaturvereins Land in Sicht – Interview 10/24
Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24
Krawall und Remmidemmi
Begehren und Aufbegehren im Comic – ComicKultur 10/24
Förderung von Sprechfreude
„Das kleine Häwas“ von Saskia Niechzial, Patricia Pomnitz und Marielle Rusche – Vorlesung 10/24
Frauen gegen Frauen
Maria Pourchets Roman „Alle außer dir“ – Textwelten 10/24