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Bettina Flitner
Foto: privat

Persönliche Antwort auf den Schmerz

17. März 2022

Bettina Flitner auf der lit.Cologne – Lesung 03/22

Wie damit umgehen, wenn sich ein geliebter Mensch das Leben nimmt? Wie all die offenen Fragen, den Schmerz, die Schuldgefühle, die oftmals mit einem solchen Ereignis einhergehen, verarbeiten? Eine ganz persönliche Antwort darauf hat die Kölner Fotografin und Autorin Bettina Flitner gefunden: Sie hat den Selbstmord ihrer Schwester in einem Roman verarbeitet. Anfang Februar bei Kiepenheuer & Witsch erschienen, wird sie ihn am 22. März im Rahmen der lit.Cologne erstmals vorstellen.

Sozialkritische Fotoessays und Portraits

Flitner, die 1961 in Köln geboren wurde, hat an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin studiert. Seit 1990 arbeitet sie als Fotografin, wobei sie sich auf sozialkritische Fotoessays und Portraits spezialisiert hat. Großes Aufsehen erregte etwa ihre Fotoserie „Ich bin stolz, ein Rechter zu sein“, die rechtsradikale Jugendliche zeigt und dabei Widersprüche thematisiert, die schon Hannah Arendt in ihrer „Banalität des Bösen“ beschrieb. Flitners künstlerisches und fotografisches Wirken beschränkt sich jedoch nicht auf Deutschland: So portraitierte sie für ihren 2004 erschienen Band „Frauen mit Visionen“ herausragende Frauen aus ganz Europa; 2012 veröffentlichte sie einen Fotoband über ihre „Reisen in Burma“. Ihr neues Werk schlägt daher gleich auf zwei verschiedenen Ebenen neue Wege ein: „Meine Schwester“ist nicht nur ein sehr persönliches Buch, sondern auch ein Roman.

Schreiben im Corona-Lockdown

Die Idee dazu sei ihr ganz spontan gekommen: „Ich wusste fünf Minuten, bevor ich begonnen habe zu schreiben, nicht, dass ich es tun würde“, sagt Flitner. Angefangen zu schreiben habe sie im März 2020 während des ersten Corona-Lockdowns. „Die ganze Welt hielt den Atem an“, beschreibt Flitner rückblickend diese Zeit. „In dieser Stille klappte ich meinen Laptop auf, öffnete eine Schreibdatei und begann zu schreiben. Es hat mich selber überrascht.“ Flitner erzählt in ihrem Roman von ihrer gemeinsamen Kindheit und Jugend mit ihrer Schwester; sie schreibt über ihre Zeit an der Waldorfschule, Ferien auf Capri und erste Liebesabenteuer in der Pubertät. Dabei geht es auch immer wieder um das Thema Depression, das in Flitners Familie kein Tabu gewesen sei. „Ich bin mit der Depression aufgewachsen“, sagt die Fotografin. Sie selbst sei zwar nie betroffen gewesen, aber ihre Mutter, ihr Großvater, ihre Tante und ihr Onkel. „Irgendjemand in der großen Verwandtschaft hatte immer gerade eine Depression und es wurde offen damit umgegangen“, so die gebürtige Kölnerin.

Die eigene Geschichte in die Hand nehmen

Als sich dann nicht nur Flitners Mutter, sondern auch ihre Schwester das Leben genommen hätten, sei es dennoch „ein Schock, eine Katastrophe“ gewesen. „Das fühlt sich wie ein unausweichlicher Schicksalsschlag an“, sagt Flitner. „Etwas, dem man ausgeliefert ist.“ Das Schreiben habe ihr deshalb geholfen, ihre eigene Geschichte in die Hand zu nehmen. Es sei befreiend, über vermeintliche Tabuthemen wie Suizid und Depression zu sprechen. Und noch etwas habe sich durch den Prozess des Schreibens gezeigt. „Meine Schwester ist wieder da, unsere gemeinsame Geschichte ist nicht einfach verschwunden“, sagt die Autorin. „Durch das Schreiben ist das Leben zurückgekehrt.“ 

Bettina Flitner: Meine Schwester | Di 22.3. 21 Uhr | Kulturkirche Nippes | www.litcologne.de

Marina Wudy

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