In den frühen 1960er Jahren standen die späteren Kunst-Stars am Anfang ihrer Karriere. Konrad (Fischer) Lueg, Manfred Kuttner, Sigmar Polke und Gerhard Richter hatten ihr Malereistudium an der Kunstakademie Düsseldorf abgeschlossen. Die jungen Künstler waren dabei, sich von der informellen Malerei ihres Lehrers K.O. Götz loszusagen, und suchten nach Wegen, sich im Kunstbetrieb zu behaupten. Daraus entstand die Idee gemeinsamer Ausstellungen unter dem Titel „Kapitalistischer Realismus“. Die Premiere fand, selbstorganisiert, im Mai 1963 in einem leerstehenden Geschäft in Düsseldorf statt: die „Demonstrative Ausstellung“; ein halbes Jahr später folgte in einem Möbelhaus „Leben mit Pop – eine Demonstration für den Kapitalistischen Realismus“. Ein Bezugspunkt war die US-amerikanische Pop Art. Lueg, Polke und Richter malten entsprechend realistisch und bunt. Wie Kuttner, der als einziger abstrakt ornamental mit Mustern arbeitete, verwendeten sie Schablonen- und Rastertechniken. Und sie bedienten sich der Motive und Texte der Massenmedien und hinterfragten diese auf subversive Weise. Neben Bildern entstanden figürliche Pappmaché-Skulpturen nach realen Personen, außerdem fanden Kunstaktionen statt: Die Künstler traten als lebende Skulpturen auf, auch wurden die Gemälde inmitten des Mobiliars gehängt. Vielleicht dass sich der Titel als Gegenposition zum „Sozialistischen Realismus“ in der DDR verstand? Vielleicht dass der eigene Konsumrausch mit seinen Werbestrategien thematisiert wurde? Stilistisch aber ließen sich die vier Künstler nicht über einen Kamm scheren. Weitere gemeinsame Ausstellungen folgten, bei Rolf Jährling in Wuppertal und bei René Block 1964 in Berlin. Block versuchte auch, den Begriff „Kapitalistischer Realismus“ zu etablieren; er zog andere Künstler hinzu und verlegte Grafik-Editionen. Und er betonte die Verbindung zur Fluxus-Bewegung, die sich ebenfalls in diesen Jahren formuliert hatte. Für die vier Künstler selbst blieb das Projekt eine Episode. Es steht symptomatisch für das pulsierende Kulturleben dieser Zeit und für alternative Formen der Kunstproduktion.
Die Ausstellung, die dazu nun in der Kunsthalle Düsseldorf zu sehen ist, dokumentiert dies alles sorgfältig anhand von Fotografien, Textdokumenten und den Editionen und zeigt zudem Künstlerfilme. Aber die Gemälde von Lueg, Kuttner, Polke, Richter fehlen. Dafür gibt es plausible Gründe, aber es ist doch befremdlich, an einem solchen Ort fotografische Reproduktionen statt der Kunstwerke zu sehen.
Immerhin, zeitgleich breitet die Langen Foundation nahe Neuss das malerische Werk von Manfred Kuttner aus. Kuttner (1937-2007) ist der große Unbekannte im Quartett des „Kapitalistischen Realismus“. Das liegt daran, dass er sich 1964 ganz aus der Kunst zurückgezogen hat. Zuvor hat er streifige Farbordnungen als ganzflächige Muster gemalt, die oft geradezu plastisch wirken und mitunter an die Op Art erinnern; dazu malt er mit fluoreszierenden Leuchtfarben. Mit solchen Werken aber kann Kuttner als ein Vorfahre der teils „neo-geometrischen“ abstrakten Farbmalerei der heutigen jungen Generation verstanden werden. Wie schön, seine Bilder nun im Original zu sehen!
„Leben mit Pop. Eine Reproduktion des Kapitalistischen Realismus“ I bis 29.9. I Kunsthalle Düsseldorf I www.kunsthalle-duesseldorf.de
„Manfred Kuttner. Werkschau“ I bis 6. Oktober I Langen Foundation, Raketenstation Hombroich bei Neuss I www.langenfoundation.de
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