Ralf König hat den Lockdown genutzt und neue Strips mit dem schwulen Paar „Konrad & Paul“ gezeichnet, in denen er die beiden durch die Pandemie begleitet. Die Strips sind gerade bei Rowohlt unter dem Titel „Vervirte Zeiten“ als Buch erschienen. Für den Sommer steht eine weitere Neuerscheinung an: Ralf Königs Hommage an „Lucky Luke“, den Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten. Im Interview erzählt der Kölner Zeichner von seinen neuen Projekten.
choices: Ralf, es gibt das Klischee des nerdigen Comiczeichners, der ein wenig entsozialisiert permanent an seinem Zeichentisch klemmt, wie Robert Crumb oder Chris Ware. In diesem Sinne: War der Lockdown beruflich eine große Herausforderung für dich, oder passte das ganz gut?
Ralf König: Passte ganz gut, wenngleich das monatelange ‚Zuhausebleiben‘ dann doch öde wurde. Ich hab hier einen schönen Arbeitsplatz und die täglichen Comics haben mich acht Monate auf Trab gehalten. Aber klar, Nerd, man wird in dauernder Quasi-Quarantäne und ohne soziale Kontrolle ja doch zunehmend verhaltensauffällig. Aber das sieht zum Glück keiner.
Du hast für dein geplantes Buchprojekt im Frühling 2020 spontan das Thema gewechselt und die Pandemie in einer täglichen Reihe von Strips begleitet. War der komplette Systemwechsel, den wir alle im März 2020 erlebt haben, der Umsturz von allem Gewohnten, kreativ beflügelnd?
Für mich auf jeden Fall. Das Buch sollte um Political Correctness gehen, das wäre nicht einfach geworden. Da verlieren die Leute ja schnell jeden Humor. Ich hätte also in alle Fettnäpfe gleichermaßen treten müssen, nicht nur in ein paar. Aber dann war plötzlich Lockdown und für ein paar Wochen interessierten diese Kontroversen keine Sau mehr! Und ich war in der wunderbaren Situation, eine ganz frische Idee sofort umsetzen zu können, nämlich Konrad und Paul in der Krise. Täglich auf Facebook und Instagram, acht Monate lang. Das klassische Comicstrip-Format, also 4 Panels, Pointe, fertig, hab ich selten bedient, auch das war neu und machte super Spaß. Und die Online-Kommentare jeden Tag haben meinen Dopaminpegel auch gepuschelt. Zum Herbst hin war ich etwas erschöpft, aber bis dahin war das Zeichnen eine reine Freude.
So richtig viel zu lachen gab es in 2020 ja nicht. Wie findet man da den Humor, und wie findet man das richtige Maß an Spaß in solch unlustigen Zeiten?
Keine Ahnung, ich stellte mir Paul vor, die kleine Testosteronbombe, wie er im Frühling ‚zuhause bleiben‘ und keinen Sex haben soll und sofort war’s lustig. Es ist gut, solche eingeführten Charaktere zu haben. Um Konrad und Paul herum gibt es ja eine ganze Reihe vertrauter Figuren, die Freunde, Pauls Schwester Edeltraut oder sein Vater oder Igitte. Eigentlich hab ich denen nur zugehört, wie die auf die Krise reagieren. Ich bin aber auch privilegiert, das ist mir ja klar. Wenn ich gestresster Familienvater wäre und hätte Existenzsorgen und gelangweilte Kinder am Bein, fänd ich das alles weniger inspirierend.
Du bist nicht nur „Schreibtischtäter“, sondern seit vielen Jahren auch bekannt durch deine sehr kurzweiligen Comic-Lesungen. Auch wenn es da im letzten Jahr ein paar digitale Auftritte ohne Publikum gab – wie sehr fehlt dir das öffentliche Lesen, aber vor allem der direkte Kontakt zu deinen Lesern?
Ja, ich hatte 2020 mein 40-jähriges Comiczeichner-Jubiläum, 1980 erschien mein erstes Heftchen, dazu hatte ich die Knaller aus den 80ern und 90ern ausgesucht, um damit auf Lesetour zu gehen. Die Premiere war im Januar im BKA-Theater in Berlin, ein wunderbarer Abend, die haben mich da echt abgefeiert und das Haus war rumsvoll. Es sollte auch in Berlin zu meinem 60. eine fette Ausstellung geben, aber dann kam Corona. Ich streame ungern, hab das aber ein paarmal gemacht, um das Theater in der Krise zu unterstützen. Da kam auch gutes Geld rein, aber es ist wirklich nicht befriedigend, in eine Kamera und in den leeren Saal zu lesen. Immerhin haben wir jetzt ein Lachband, das ist zwar bescheuert, aber allemal besser als Stille nach der Pointe! Schrecklich. Ich will wieder in vergnügte Gesichter gucken!
Die Protagonisten deiner „Corona-Strips“ sind „Konrad & Paul“, das altbekannte schwule Paar. Mit den Protagonisten rund um die beiden hast Du in den Sozialen Medien auch dein neues Projekt beworben: Ein „Lucky Luke“-Heft von Ralf König! Wie kam es dazu, und wie schwul muss man sich Deine Version des Cowboys vorstellen?
Mein Freund Olaf arbeitet bei Ehapa, und ich hab wohl mal laut geseufzt, dass ich mal so einen Lucky-Luke-Hommageband machen möchte. Da dürfen sich andere Zeichner an dem Cowboy versuchen, als Hommage an Morris [alias Maurice De Bevere, Erfinder und Zeichner der lange Jahre von Asterix-Erfinder René Groscinny geschriebenen Comic-Reihe – Red.]. Der Cowboy wird in diesem Jahr 75, da gibt es einige Jubiläumsbände, und ich bin dabei. Ich hab nie Western gezeichnet, vor allem meine Pferde sehen aus wie Seegurken auf Stelzen. Morris war so ein unfassbar guter Zeichner! Ich hab Lucky Luke schon als Kind geliebt, ich fand die Figur in ihren Glanzzeiten auch immer sexy, aber wie gut Morris war, kapiere ich so richtig erst jetzt. Bei allem, was ich zeichne, hab ich vor Augen, wie es bei Morris aussehen würde, das hat mich anfangs sehr frustriert. Die Körperhaltungen, die Perspektiven, alles wie schnell hingekritzelt, aber punktgenau getroffen! Aber Olaf meinte dann, wenn z.B. Nikolas Mahler einen Lucky-Luke-Band zeichnen würde, würden die Cowboys eben nach Mahler aussehen, diese Strichnasen, und es wäre sicher hochkomisch! Das hat mir geholfen, an meinen Stil zu glauben. Inzwischen macht es richtig Spaß, die Geschichte nimmt Form an. Meine Voraussetzung war, dass es eine schwule Cowboy-Lovestory geben muss, sonst hat es ja keinen Sinn, dass ausgerechnet ich damit anfange! Asexuell kann ich nicht. Der Lizenzgeber fand das auch super, erbat sich nur, dass Lucky Luke erstens nicht raucht und zweitens nicht schwul ist. Aber das hatte ich auch nie vor. Lucky Luke ist ja eher desinteressiert an Sex, warum sollte er bei mir plötzlich schwul sein?
Das ursprünglich für 2020 geplante Buchprojekt sollte sich den Themen „Political Correctness, gendergerechte Sprache, Querelen in der queeren Szene und verabscheuungswürdige alte weiße Männer“, wie es im Vorwort zu „Vervirte Zeiten“ heißt, widmen. Was steckt hinter dem Projekt und wann können wir nun damit rechnen?
Naja, wir leben in Zeiten der genetzwerkten Dauerempörung und auch in der queeren Szene ist einiges los, besonders wohl in Berlin. Da sind die Schwulen gegen Lesben gegen Drags gegen Transexuelle gegen Queerfeministinnen gegen keine Ahnung! Das hat ja auch viel Komisches. Ok, ich bin ein alter weißer Mann und kapiere einiges nicht mehr, das macht mir aber wenig Sorgen. Ich guck mir das alles so an. Allerdings ist die Fähigkeit zur Selbstironie immer hilfreich. Das Ganze ist sicher shitstormträchtig – mal sehen, wann und wie ich das angehe. Ich bin ein harmoniebedürftiger Mensch, es ist überhaupt nicht meine Intention zu provozieren, auch wenn das oft so gesagt wird. Ich hoffe, dass es mir gelingt, dass alle Beteiligten ihr Fett wegkriegen, aber ich bemühe mich um liebevolles Fett.
Ralf König: Vervirte Zeiten | Rowohlt | 190 S. | 24 €
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