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Ralf König (2020)
Foto: Ralf König/vvg-koeln

Ein Comic mit philosophischen Antworten

01. Oktober 2008

Ralf König über den Comicboom, Verfilmungen und sein neustes Werk „Prototyp“ – Interview 10/08

choices: Herr König, Sie veröffentlichen ihre Comics bei den Verlagen ‚Männerschwarm’ und ‚Rowohlt’, die keine reinen Comic-, sondern reguläre Buchverlage sind. Damit waren sie lange eine Ausnahme im Comicbetrieb. Inzwischen kann auch eine Alison Bechdel bei KiWi veröffentlichen. Hat sich die Akzeptanz allgemein verändert, oder sind das immer noch Ausnahmen?
Ralf König
: Wenn überhaupt, verändert sich die Akzeptanz nur sehr langsam. Comics werden in Deutschland kaum wahrgenommen. Ein neues Buch von mir steht in der Buchhandlung selten unter den ‚Neuerscheinungen’ am Eingang, sondern landet gleich hinten in der Humorabteilung. Und ich hab noch enormes Glück. Mit meinem Thema und meiner Art zu erzählen hab ich ein treues Lesepublikum, schwul oder nicht, so dass ich seit 27 Jahren davon leben kann.  

Sie haben bereits in den 80er Jahren einen kleinen Comicboom miterlebt. Sehen sie einen Unterschied zu dem aktuellen Vorstoß der Comics ins Feuilleton? Ist das eine neue Chance, den Comic jenseits von Jugendkultur und Cartoon als Literatur zu etablieren?
Vielleicht spricht es sich langsam herum, dass es anspruchsvolle Comics für Erwachsene gibt, dicke Wälzer, mit denen man es sich gut zwei Stunden auf dem Sofa bequem machen kann. Das Medium Comic leidet meiner Meinung nach unter dem Image, nur infantil zu sein, man sieht auf den ersten Blick ja wirklich nur Superhelden, Fantasy und Schlümpfe.

Wie habe sie zu den Knollennasen gefunden und warum sind sie geblieben?
Mir waren Story und Dialog immer wichtiger als die Zeichnungen, die sind nur Mittel zum Zweck. Diese Nasen hab ich seit 28 Jahren drauf, das geht schnell und einfach und ich kann mich ganz auf die Geschichte konzentrieren. Ich bedaure es ein bisschen, dass ich mir nicht eine zweite Art, zu zeichnen, drauf geschafft habe, eine realistischere vielleicht, denn manchmal möchte ich gern auch mal was Ernstes erzählen. Andererseits ist gerade das manchmal Ernste in den Geschichten zusammen mit den Humorzeichnungen eine ganz eigene Verbindung, auf die ich nicht verzichten wollte.

Sicher, es ist auch nur ein Etikett, aber im Ausland zählt man viele Ihrer Arbeiten ganz klar zu den so genannten Graphic Novels (Comicromane), hierzulande fällt Ihr Name in dem Zusammenhang weniger. Liegt das an den cartoonhaften Zeichnungen, am humoristischen Aspekt der Arbeiten?
Wahrscheinlich ist das so. Aber mit ‚ernsthaften’ Zeichnungen wäre der Stand noch schwerer. Ich verehre ja z.B. „Die Sache mit Sorge“ von Isabel Kreitz. Was für Zeichnungen! Aber wird es gebührend wahrgenommen? Humor ist fast Voraussetzung, hierzulande mit Comics wirklich Erfolg zu haben, leider. Moers, Brösel, Joscha Sauer... alles Cartoonisten.

Andersrum gefragt: Macht sich das gesteigerte Interesse an Graphic Novels auch bei ihren Büchern bemerkbar?
Ich glaube nicht, dass das mit den ‚Graphic Novels’ im Zusammenhang mit mir gesehen wird, obwohl meine zweibändige ‚Dschinn Dschinn’-Geschichte zum Beispiel über 300 Seiten hat. Aber um es auf deutsch zu sagen: Den Begriff ‚Comic-Roman’ hatte Rowohlt schon vor Jahren für meine Bücher formuliert.

Wie sehen Sie im Gegensatz zu ihren Comics die im Bereich der Graphic Novels inflationären autobiografischen Geschichten, häufig Coming of age-Stories, die sich eher an einer Innerlichkeit orientieren?
Kommt drauf an, was der Autor zu erzählen hat. Wenn es spannend oder interessant ist, ist autobiografisches sehr ok, aber es gibt auch dieses kreisen um den eigenen Bauchnabel, weil die Phantasie für gute Geschichten fehlt. Das langweilt mich dann.

Ihre Comics wurden diverse Male verfilmt, meist mit großem Erfolg. Wie ist Ihr Verhältnis zu den Filmen, die ja teilweise mit Ihnen als Drehbuchautor, teilweise aber auch ohne dass sie maßgeblichen Einfluss nehmen konnten, gedreht wurden?
Ich habe kaum ein Verhältnis zu den Filmen, ich hab die teilweise nicht mal im Regal. Und es waren keineswegs meist große Erfolge, wie du sagst, teilweise sogar eher kontraproduktiv, nach dem Film hatten sicher viele Leute keine Lust mehr, je ein Buch von mir aufzuschlagen. Weil das alles ganz anders rüber kommt auf der Leinwand, mit Schauspielern. Filme sind nicht meine Babys, es ist ein anderes Medium. Nach jeder Filmerfahrung war ich froh, Comiczeichner zu sein und nur mit Stift und Papier meine eigenen Filme produzieren zu können, ohne dass mir jemand reinredet. Dreharbeiten sind im Gegensatz zum Comiczeichnen ein einziges Gestrampel, gegen falsche Entscheidungen, gegen blöde Ideen und gegen die Zeit.   

Warum kam bislang im Gegensatz zu den Kollegen Walter Moers („Das kleine Arschloch“) und Brösel („Werner“) noch kein Zeichentrickfilm zustande. Nach Filmen wie „Persepolis“ oder „Waltz with Bashir“ scheinen Zeichentrickfilme für Erwachsene gerade naheliegender denn je? 
Vielleicht muss sich in den Produzenten-Etagen erst rumsprechen, dass mein Humor nicht ausschliesslich ‚schwul’ ist. Wahrscheinlich hatte man bisher Angst, so einen teuren Trickfilm nur für ein Nischenpublikum zu produzieren. In ‚Prototyp’ ist ja gar nichts Schwules drin... abgesehen von dem Sadomasoding zwischen Gott und Adam. Aber der Bibelgott ist nach landläufiger Vorstellung nun mal männlich - liegt ja nicht an mir! 

Würdest Du sagen, dass die zahlreichen Comicverfilmungen der letzten Jahre – meist Realverfilmungen – das Interesse der Zuschauer an Comics wecken?
Hm. Rein aus dem Bauch geantwortet, glaub ich das eher nicht. Der Film übersteigt ja bei weitem die visuellen Möglichkeiten, die eine Comicvorlage bieten kann. ‚300’ zum Beispiel, ich weiss nicht, ob der Kinogänger das Buch genauso spektakulär findet. Die Verfilmung von meinem ‚Bewegten Mann’ allerdings hat den Buchverkauf enorm gefördert. In diesem einen Fall klappte das. Aber mit Humor und den schnell hingekritzelten Nasen fährt man eh ne andere Schiene als mit realistischem Stoff oder bildgewaltiger Fantasy.  

Stichwort Humor: Das vordergründig Alberne in ihren Arbeiten hat immer gesellschaftspolitische Relevanz. Zum Karikaturenstreit haben sie sich zu Wort gemeldet, ‚Prototyp’ verbindet philosophische Religionskritik mit humorvoller Blasphemie. Wie kann ein solch gewagter Balanceakt funktionieren?   
Ist das ein gewagter Balanceakt? So was frag ich mich vorher zum Glück nicht, ich hab die Idee, nehm den Stift und fang an. Und in diesem Fall klappte die Story ausnahmsweise erfreulich gut, ich hatte gar keine dramaturgischen Klemmen, einfach, weil die Grundidee fluppte. Zu jeder Frage Adams nach dem Apfelbiss gabs eine passende philosophische oder naturwissenschaftliche Antwort.

Gab es schon heftige Reaktionen zu ‚Prototyp’, beispielsweise von Seiten der Kirche, oder bleibt uns ein christlicher Karikaturenstreit erspart?
Es gab bisher nur vereinzelte Zuschriften, aber das schon, als es letztes Jahr als Vorab-Serie in der FAZ lief.  Das Buch Genesis sei den Juden und Christen heilig, das sei beleidigend und gotteslästerlich, es gab sogar Abo-Kündigungen, nur wegen dem Comic! Und die Sprüche, ich solle auf mein Seelenheil aufpassen und was der Mensch sät, wird er ernten, Paulussprüche, Gott lässt sich nicht spotten, so was halt. Aber auf Gott reimt sich ‚Spott’ nun mal sehr schön.

Interview: Christian Meyer

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