Nur noch Laute können die fünf blonden Homunculi absondern. Ein gellendes Kichern und ein fünf Mal wiederholtes „Pfffft“ stoßen sie in 70 Minuten aus. Die Sprache ist kontrollierter Bewegung gewichen, einer synchronen Choreographie kombiniert aus Fluglotsengesten, Bizeps- und Erotik-Posing. Sie sehen aus wie Wesen aus einem schlechten Science-Fiction-Film, emotions- und geschlechtslos zappeln sie in ihrem umgestülpten, transparenten Schwimmbassin herum – beschützt von allen Seiten.
„Die Psychonauten: Rausch“ des Analogtheaters könnte seinem Titel nicht ferner sein. Von Entgrenzung, Ektase, Überschreitung ist hier kaum etwas zu sehen – bis auf ein bisschen Technostrampeln und einem Rumtrampeln auf einem Kollegen. Die Bühne präsentiert das Menetekel einer misslungenen Grenzüberschreitung. Die Stimme von Regisseur Daniel Schüßler aus dem Off malt in einem verkümmerten Denglisch den alten Dualismus von Kopf und Körper, von Ich und Wir aus. Eine neue Einheit wird beschworen, die den Riss kitten soll.
Die Metapher dafür lautet „Platz“, also Öffentlichkeit, Versammlung, Gemeinschaft. Ein Hilferuf aus einer entgleisten Zukunft, die die postapokalyptische Vorgängerproduktion „Asche“ fortsetzt. Doch so wie der Nebel kräftig durch die Szene wabert, so diffus bleibt auch die Konzeption. Der Preis der Moderne – und ihres Theaters – liegt genau in dem beklagten Riss. Grenzüberschreitungen sind rar und tendieren derzeit eher in Richtung Infantilisierung. Der neurechte Popanz des Völkischen als neues Wir mag in den blonden Bestien mitschwingen, bleibt aber als Gefahr unbelichtet. So ist der Sehnsucht nach Gemeinschaft beziehungsweise einer neuen Einheit im Rausch kaum beizukommen.
„Die Psychonauten: Rausch“ | R: Daniel Schüßler | 5. - 7.2. | Studiobühne | 0221 470 45 13
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