„Es stand ein Pianino in der winzig kleinen Wohnung, das hat mich angezogen wie ein Magnet. Mit 5 Jahren habe ich dann meine Aufnahmeprüfung bestanden an der Musik-Akademie, damit war ich der jüngste Student in der Geschichte dieses Instituts.“ So erinnert sich das 1946 geborene Nachkriegskind Rudolf Buchbinder an seinen Start ins aktive Leben eines Musikers und bedenkt gleich die guten Seiten einer schweren Zeit: „Wir haben den Aufbau miterlebt bis zum heutigen Wohlstand!“
Zum runden Geburtstag vor einigen Jahren zog die ganze Welt vor dem Pianisten den Hut, in der Carnegie Hall New York, der Suntory Hall Tokio, dem Musikverein Wien und in der Berliner Philharmonie. Dazu verliehen ihm die Wiener Philharmoniker die Ehrenmitgliedschaft, ebenso das Israel Philharmonic Orchestra.
Jetzt reist er als Götterbote des Beethoven-Jahres 2020 mit „Wagners Wunderharfe“, der Sächsischen Staatskapelle Dresden, durch berühmte Konzerthallen wie der Kölner Philharmonie. Auf dem Programm stehen an zwei Abenden alle fünf Beethoven-Klavierkonzerte. Nicht, dass das Orchester ihn dabei begleiten solle. Der Pianist: „Ich will auch von keinem Dirigenten begleitet werden, es ist immer eine Partnerschaft. Ich begleite einen Freund ins Restaurant, das ist die einzige Art von Begleiten, die ich akzeptiere.“
Damit gar keine Diskussion entsteht, leitet er gerne selbst vom Flügel aus. „Ich habe schon einige hundertmal play and conduct praktiziert, mit den verschiedensten Orchestern in der ganzen Welt, Mozart-Konzerte und Beethoven-Konzerte. Diese Komponisten haben das ja auch so gehandhabt.“ Und dieses Prinzip hat sich bewährt. „Es ist eine Art vergrößerte Kammermusik, wo jeder Musiker bis hin zum letzten Pult eine viel größere Verantwortung hat. Ich dirigiere ja nicht permanent, gebe im Konzert nur Impulse. Die Arbeit findet vorher in den Proben statt.“ Alle Musiker müssen noch besser zuhören und reagieren. Das beherrscht der erlesene Klangkörper aus Dresden, das Gespann ist bestens eingespielt als Live-Duo. Buchbinder: „Ich mache keine Studio-Aufnahmen mehr. Im Studio fehlen mir die drei entscheidenden Dinge: Emotion, Spontaneität und Nervosität. Das ergibt das Prickeln.“ Wenn allerdings etwas passiert, ein kurzer Blackout oder ähnliches, lässt sich wenig retten. Der Pianist geht bei hohem Risiko sehr entspannt ins Rennen, weil er weiß: „Entspannt bin ich nie, ich bin nur sicher. Meine Trefferquote, wie es so schön heißt, ist relativ hoch.“
Sächsische Staatskapelle Dresden, R. Buchbinder: Beethoven | 20. u. 21.11. 20 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 280 280
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