Mitte April wird im Kölner E-Werk der Deutsche Jazzpreis 2024 verliehen. Im Interview spricht Jurymitglied und aktuelle Nica-Stipendiatin Sophie Emilie Beha über die Auswahl der Nominierten und die aktuelle Jazzszene.
choices: Frau Beha, wie sind Sie in eine der Jurys des Deutschen Jazzpreises gekommen?
Sophie Emilie Beha: Ich bin ganz einfach gefragt worden von der Initiative Musik. Ich bin aktuell im Nica Artist Development-Förderprogramm drin, das normalerweise Künstlerinnen aus NRW fördert, mit mir allerdings erstmals auch eine Kuratorin. Ich habe Musikjournalismus in Dortmund studiert und mich zunächst eher mit der klassischen Musik beschäftigt. In meinem Berufsleben kamen dann auch Jazz, zeitgenössische und transtraditionelle Musik dazu. Inzwischen kuratiere ich unter anderem ein interdisziplinäres Festival in Köln. Die Nica-Förderung, über die ich beispielsweise zu internationalen Festivals reisen kann, war für mich ein Katalysator für mein eigenes Selbstverständnis dessen, was ich eigentlich so mache. In meiner Fachjury gab es dann tatsächlich auch nur einen Musiker.
Wie wurden die Nominierten ausgewählt?
Grundsätzlich wurden die Einreichungen sehr breit gestreut. Es gab alleine 31 Kategorien und fünf Fachjurys mit jeweils fünf Mitgliedern. In meiner Fachjury haben wir uns mit den Kategorien Ensemble national und international, Live-Act international und dem Album des Jahres international beschäftigt. Im vergangenen Jahr wurden bereits die Einreichungen vorgenommen und dann haben wir erst mal nur Musik gehört. Es war wirklich unfassbar viel Material – ich glaube, zusammengenommen habe ich mindestens zwei Wochen ununterbrochen Musik gehört. Die Fachjurys haben dann aus der großen Anzahl an Einreichungen am Ende vier Vorschläge an die Hauptjury gegeben, die dann wiederum über die Nominierten entschieden hat.
Wie haben Sie persönlich diesen Auswahlprozess erlebt?
Das war meine erste Jury-Erfahrung, und ich war teilweise überrascht, wie schnell manche Entscheidungen getroffen wurden. Wobei unsere Empfehlungen an die Hauptjury natürlich auch immer mit einer guten Begründung verbunden sein mussten. Ich finde generell die Frage nach Qualitätskriterien sehr schwierig: Was zeichnet hohe Qualität aus? Ist es eher die technische Virtuosität oder dann doch eher etwas Innovatives, neue Ideen und Konzepte? Da ist natürlich vieles sehr subjektiv. Insofern ist es auch sehr gut, dass die Entscheidungen durch die Fachjurys und eine sehr große Hauptjury auf so viele Schultern verteilt sind, denn es ist ja auch eine ganz wichtige Entscheidung für die Musiker:innen, die wir da treffen, insofern haben wir als Jurymitglieder eine sehr große Verantwortung, der wir uns bewusst sein müssen. Ich glaube, es ist immer auf eine gewisse Art recht schwierig und auch kritisch zu hinterfragen, wenn man versucht, Kunst zu bewerten und sie damit dann auch in Schubladen packt. Vielleicht lässt sich Jazz noch etwas schwieriger in Schubladen einordnen als beispielsweise klassische Musik, weil er noch vielfältiger ist und daher mehr Herangehensweisen anbietet.
Wie stellt sich die aktuelle Jazzszene in Ihren Augen dar?
Ich glaube, ich würde die Frage ein wenig umdrehen und eher danach fragen, was uns gerade besonders anspricht. Es ist auf jeden Fall ein Generationswechsel zu beobachten, der durch die Szene geht, und die jüngere Generation empfinde ich deutlich politischer. Zu beobachten ist auch, dass Identitätsfragen stärker in der Musik vertreten sind. Übrigens war es bei diesem Jazzpreis auch so, dass es in dem Bewertungs-Tool, mit dem wir gearbeitet haben, eine „diversity matrix“ gab. Und auch in der Musik kann man feststellen, dass der Jazz, der ja immer schon extrem vielseitig war, nun stärker vielschichtige Identitäten verhandelt und konkrete Fragestellungen formuliert. Die Musiker:innen fordern das ein und die Labels lassen sich erfreulicherweise darauf ein.
Verleihung des Deutschen Jazzpreises 2024 | Do 18.4. 19.30 Uhr | E-Werk, Köln | www.deutscher-jazzpreis.de
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