Mittwoch, 26. November: An der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) gibt es die Veranstaltungsreihe „Best of KHM Movies“, in der nicht nur die aktuellen Studierenden einige ihrer dort entstandenen Kurzfilme präsentieren, sondern auch immer wieder Ehemalige ihre Aufwartung machen. Was in anderen Bereichen Alumni-Treffen sind, hat an der KHM ebenfalls schon Tradition. So begrüßte Prof. Gebhard Henke mit Jan Schomburg einen KHM-Absolventen, der nach seinem gefeierten Debütfilm „Über uns das All“ mittlerweile schon mit „Vergiss mein Ich“ einen zweiten Langfilm in die Kinos bringen konnte. Im Gespräch mit seinem ehemaligen Dozenten und jetzigen „executive producer“ Henke erläuterte Schomburg, dass die Realisierung eines zweiten Films tatsächlich schwieriger sein kann. So zeigte sich der Filmemacher enttäuscht, dass „Vergiss mein Ich“ im Gegensatz zu seinem Erstling nicht auf die Berlinale eingeladen wurde. Auch im Feuilleton „wurde er viel kontroverser diskutiert als mein Debüt“. Das läge aber an der Tatsache, dass es sich hierbei um einen wesentlich streitbareren Film handle, bei dem auch das Spiel seiner Hauptdarstellerin Maria Schrader stark polarisiere. Immerhin spielt sie eine Dozentin, die nach einer Enzephalitis jegliche Erinnerung an ihr bisheriges Leben eingebüßt hat und mühevoll wieder bei Null anfangen muss.
Jan Schomburg war durch ein Radiofeature über die Journalistin Sabine Barthelmes auf seinen Stoff gestoßen, der somit in seinen Grundzügen auf tatsächlichen Ereignissen beruht. Barthelmes musste mithilfe der intensiven Pflege durch ihren Mann erst mühsam wieder in ihr altes Leben zurückgebracht werden. „Das hat für mich eine allegorische Kraft, da man ja oft von seinem Partner erzählt bekommt, wer man ist“, kommentierte der Regisseur beim Publikumsgespräch nach der Projektion seines Films in der Aula der KHM. Anderthalb Jahre dauerte der Prozess des Drehbuchschreibens, bei dem sich die „Momente der Inspiration und die Momente der Verzweiflung die Waage hielten“. Das war wohl auch der Tatsache geschuldet, dass sich bei diesem Projekt von Szene zu Szene „ein Nildelta an Möglichkeiten“ auftat. Im Gegensatz dazu waren bei „Über uns das All“, zu dem Schomburg auch selbst das Drehbuch geschrieben hatte, die einzelnen Szenen eindeutig auseinander hervorgegangen.
Gebhard Henke stach insbesondere die originell gefilmte Sexszene zwischen Maria Schrader und Ronald Zehrfeld ins Auge, über deren technische Umsetzung er Genaueres wissen wollte. Schon im Drehbuch war von einem halb erigierten Penis die Rede, weswegen Zehrfeld von Vorneherein gewusst hatte, was hier auf ihn zukommen würde. Dennoch überlegte man kurzzeitig, für diese Sequenz einen Pornodarsteller zu engagieren, der als Body Double für den Schauspieler fungiert hätte. Als dieser Prozess aber zu langwierig und kompliziert wurde, erklärte sich Zehrfeld bereit, die Szene selbst zu drehen. Seine einzige Bedingung war, dass er in diesem Moment mit seiner Leinwandpartnerin Maria Schrader komplett allein im Raum sein dürfe, weswegen Schomburg nur noch die Kamera einschaltete und dann selbst auch nach draußen ging. Dazu noch einmal der Regisseur: „Ich finde Sexszenen generell nicht kompliziert und kann den Bohei darum nicht nachvollziehen. Schauspieler entblößen tagtäglich so viel von sich, da kommt es auf das bisschen körperliche Nacktheit gar nicht mehr an.“ Dass er gut mit Schauspielern umgehen kann, hat Schomburg nun schon mehrfach bewiesen. Dadurch hat er nun einen größeren Auftrag ergattert, bei dem er erstmals die Drehbuchvorlage nicht selbst geschrieben hat – im Moment inszeniert er in Köln „Mord mit Aussicht – Der Film“, was ihm mehr Spaß mache, als er im Vorfeld erwartet hatte.
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