Bei den Veranstaltungen der US-amerikanischen Filmindustrie setzen in der von Awards Season anno #MeToo gerade etwas mehr als üblich die Frauen die Agenda – mit schwarzen Roben und klaren Worten bei der Verleihung der Golden Globes und angekündigten Anti-Sexismus-Aktionen, die Anfang März die Oscars begleiten sollen. Dazwischen versammelt sich die Branche, same procedure as every year, Anfang Februar zum ersten A-Festival des Jahres in Berlin, und was die Weinsteins der Filmwelt dort zu hören kriegen, bleibt abzuwarten.
Derweil standen im Vorfeld der roten Berlinale-Teppiche vor allem wieder die Männer auf dem Tapet. Man debattierte über den Leiter Dieter Kosslick, dessen Vertrag 2019 ausläuft und von dessen Ausrichtung des Festivals sich namhafte Filmemacher distanzierten. Auf der Seite der Verteidiger sprach unter anderem Tom Tykwer für den langjährigen Chef, und auch über den Wuppertaler wird viel zu lesen, zu hören und zu sehen sein zwischen dem 5. und 25. Februar, wenn er als erster deutscher Präsident seit Werner Herzog 2010 der Jury des Internationalen Wettbewerbs vorsitzt. Das Programm der Königsklasse ist – nach alter Väter Sitte – von den Arbeiten männlicher Filmschaffender geprägt.
Ein Mann, an dem man auch nach der Berlinale nicht vorbeikommen dürfte, ist Franz Rogowski. Dort wird der gebürtige Freiburger, der am 2. Februar seinen 32. Geburtstag feiert, in Thomas Stubers Wettbewerbsbeitrag „In den Gängen“ neben Sandra Hüller zu sehen sein. Außerdem wird er zusammen mit neun jungen Kolleginnen und Kollegen als „European Shooting Star 2018“ als eines der besten Schauspiel-Talente Europas geehrt. Wobei Rogowski nach seiner Präsenz schon 2017 und davor natürlich längst nicht mehr zum Nachwuchs zählt. 2013 fiel er als sinnlicher Masseur in der wilden Mumblecore-Romanze „Love Steaks“ auf, zwei Jahre später hetzte er mit Sebastian Schippers „Victoria“ durch die Hauptstadt, bevor er letztes Jahr dann nicht nur als Chauvi-Sohn von Jan Henrik Stahlberg in „Fikkefuchs“ polarisierte und diesen Januar als „Lux – Krieger des Lichts“ neues Territorium betrat, sondern sich die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Regiegrößen in die Vita schreiben durfte. Als unterdrückter und seltsam fehlentwickelter Sprössling von Isabelle Huppert drehte er mit Michael Haneke „Happy End“. Für „Radegund“, einem Drama über den hingerichteten Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter, wurde er neben August Diehl, Jürgen Prochnow und Bruno Ganz von Terrence Malick inszeniert. „Transit“, Christian Petzolds Adaption des Anna-Seghers-Romans, in der er neben Paula Beer die Hauptrolle spielt, dürfte eines der Glanzlichter Franz Rogowskis werden, das 2018 ins Kino kommt.
Was dessen Regisseur gesagt haben soll, kann man sich auf der Zunge zergehen lassen. Nicht seine Hauptdarstellerin, sondern der Mann mit der markanten Boxernase, der Lippenspalte und dem Lispeln sei die neue Nina Hoss. Was wir unbedingt als höchstes Lob verstehen und nicht als sexistische Bemerkung.
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