Bundesinnenminister Friedrich (CSU) warnt seit Monaten: Massen von „Armuts-Zuwanderern“ aus dem Süden würden bald unser Land überschwemmen. Vor allem Roma wollten unsere Sozialsysteme ebenso wie die Freizügigkeit der EU missbrauchen. Wie sich die Bilder gleichen: Ende der Achtziger Jahre erschien schon der „Spiegel“ mitdem Titel „Die Zigeuner kommen!“ und sah die Roma als Bugwelle einer „großen Flüchtlings-Flut“ aus dem Balkan. Tatsächlich flüchteten die Menschen damals vor den Folgen der auch von Deutschland mitverursachten Bürgerkriege. Fast alle Menschen wurden wieder abgeschoben, weil sie kein Bleiberecht erlangten. Oder sie flohen vor den Brandanschlägen, die der Hetze gegen die Flüchtlinge folgten.
Eine zweite Chance
Die Menschen, die heute von dort nach Deutschland kommen, sind allerdings keine „Flüchtlinge“. Als EU-Bürger können sie sich überall in der EU niederlassen und mit demselben Recht z. B. von Bukarest nach Köln ziehen, wie die aus dem „Schwabenländle“ nach Berlin Zugewanderten, die dort die Ickes nerven. Zu ihrem Menschenrecht gehört ab 2014 auch die volle Arbeitserlaubnis. Schon ein Blick in die aktuelle Bundesstatistik widerlegt Herrn Friedrichs Tiraden. Dem Wüterich ist entgangen, dass über 80% (!) der aus dem EU-Balkan Zugezogenen höchstqualifiziert und sogar schon in Arbeit sind, u.a. als Ärzte oder Ingenieure – ein echter Beitrag gegen den sogenannten Fachkräftemangel. Und diese gefürchteten „Zigeuner“? Heute wie damals gilt: Unsere Statistiken nennen nur das Herkunftsland, können und dürfen die ethnische Zugehörigkeit gar nicht erheben. Experten schätzen, dass nur ca. 10% der Zuwanderer Roma sind. Sie haben allen Grund, anderswo eine Zukunft zu suchen. Bis zur Wende (1990) waren sie überwiegend in Arbeit und Brot und in vielen Berufen tätig, so der Balkanexperte Mappes Niedieck. Danach wurden sie aus rassistischen Gründen als Erste entlassen. Oder ihre Betriebe gingen im Zuge der angesagten neoliberalen Politik Pleite.
Ganz abgesehen davon: Auch die Ärmsten der Armen haben das Recht, hierher zu kommen, auch wenn sie dabei oft Opfer von modernen Sklaven-Händlern oder Zuhältern werden. Dafür dürfte sich Herr Friedrich kaum interessieren. Und nicht nur er. Das Bemühen der Neubürger um Teilhabe und Emanzipation stößt oft auf den wütenden Widerstand der bisher Privilegierten, egal ob reich oder arm. Die neuen Mitbürger, die jetzt um ihre Anerkennung kämpfen, werden oft mit einem von Ängsten und von manchem Politiker geschürten Rassismus konfrontiert. Es ist die sehr alte Angst einer noch immer unreifen bürgerlichen Gesellschaft, die Minderheiten stets überwinden mussten und müssen.
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