In Deutschland gibt es nicht nur „Zuwanderer“, sondern auch „Auswanderer“. Diese „Entdeckung“ und die damit verbundene Furcht vor einem deutschen Brain-Drain schlug schon vor einigen Jahren kurzzeitig so hohe mediale Wellen, dass eine schweizerische Zeitung amüsiert unter dem Titel „Ärmer, älter, kleiner, dümmer“ zusammenfasste: „Die Liebhaber düsterer soziodemographischer Befunde kommen in Deutschland glänzend auf ihre Kosten.“ Vielleicht wäre das Thema fast vergessen, wären da nicht diese Reality-TV-Formate wie „Auf und davon“, „Mein neues Leben“ oder „Goodbye Deutschland“. Neben VOX und Kabel 1 dokumentiert auch schon mal das ZDF „Durchboxen in Paraguay“. Die offizielle Politik jedenfalls schürt derweil wechselnd die Angst vor dem „Fachkräftemangel“ oder die vor „Zuwanderern“.
Mobiler Arbeitsalltag
Dabei ist die internationale Mobilität von Arbeitskräften längst Teil des europäischen Alltags. Ein- wie Auswanderung betreffen Deutschland ebenso wie Dänemark, Polen oder die Niederlande. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind im vergangenen Jahr rund 1 Mio. Menschen hierzulande zugezogen, gut 700.000 haben Deutschland verlassen. Die Statistik gibt allerdings keine Auskunft darüber, ob jemand dauerhaft im Lande bleiben möchte oder dauerhaft geht. Zu den Top Ten der deutschen Auswanderungsziele gehören denn auch Staaten wie Polen oder die Türkei, Frankreich, Österreich und die Schweiz. Busfahrer zum Beispiel gehen gerne in die Schweiz – dort sind Bezahlung und Arbeitsbedingungen eindeutig besser als hier. Ärzte suchen aus den gleichen Gründen Jobs in Norwegen. Allerdings scheint die andauernde Auswanderung ein eher seltenes Phänomen zu sein. Fachleute sprechen denn auch eher von einer „brain circulation“ als von einem Wegzug. Dazu passt das Ergebnis einer Bertelsmann-Erhebung,wonach sich bei höher Qualifizierten Aus- und Zuwanderung in den EU-Staaten in etwa die Waage halten.Ko-Autorin Leonore Sauer: „Das durchschnittliche Bildungsniveau ist unter den deutschen Rückwanderern sogar leicht höher als unter den Auswanderern.“ Insgesamt liegt Deutschland im Mittelfeld des europäischen Migrationssystems. Ein Problem, meintSauer. Das ausgeglichene „Wanderungssaldo“ sei ein Signal für die rückläufige Attraktivität des deutschen Angebots. Wenige Jahre, nachdem man sich erstmals als „Einwanderungsland“ geoutet habe, nehme man davon schon wieder Abschied. Stattdessen müsse man das „Einwanderungsland Deutschland“ positiver gestalten, um „die besten Köpfe“ hierher locken zu können. Dem stehen in Politik und Gesellschaft freilich nicht nur Mythen wie der „Brain-Drain“ oder die angeblich drohende Flut von Armutsflüchtlingen entgegen. Manchmal liegt es schlicht am Geld. So war in den letzten Jahren auch schon mal die Spargelernte bedroht, weil die Saisonarbeiter aus Osteuropa ausblieben. Anderswo in Europa gab es schlicht mehr Stundenlohn.
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