Über Bluetooth-Kopfhörer vernimmt das eng zusammengepferchte Publikum des Orangerie-Theaters das nächtliche Flüstern des traumwandelnden Bühnen-Trios (Irene Eichenberger, Stefan H. Kraft und Regina Welz). So wird es sukzessiv und hautnah hineingesogen in die isolierte Möglichkeitswelt des Schlafes. In einen Raum, in dem sich Träume kreuzen und in dem – im getriebenen Treiben rastloser Ruhe – neue Handlungsoptionen geprobt werden.
Ein halbes Jahr lang protokollierte das Ensemble um Futur3 seine Träume samt Schlafverhalten und begab sich auf selbstauferlegte Traummanöver. Entstanden ist die Performance „We Have a Dream“ und mit ihr eine ebenso wilde wie intime Reise durch die Nächte. Der Aktionsraum ist nur schemenhaft zu erahnen. Nach und nach im immer tieferen Hineinsinken in die Schichten des Schlafes öffnet und verschachtelt er sich. Offenbart skizzenartige Traumfetzen und diskontinuierliche Anderswelten, die schleierhaft hinter Tüll und Milchglas liegen.
Die nächtliche Hirnaktivität, von Alpha- über Delta-Wellen bis zur REM-Phase bildet dabei eine aus der Ursprünglichkeit der Dunkelheit geborene Spannungskurve. Diese natürliche Dramaturgie wird umso notwendiger, als dass sich das Geträumte jeder raumzeitlichen Kontinuität und jedem Kalkül entzieht. In diesem Sinne kann „We Have a Dream“ als Abrechnung mit den Methoden der Logik gelesen werden. Denn Träume, so wirr und ineffizient sie auch erscheinen mögen, zeigen doch Wünsche und Verstrickungen auf. Übertragen in den Wachzustand des Alltags können sie somit gar zukunftsweisend sein.
„We Have a Dream“ | R: André Erlen | Herbst 2020 | Orangerie-Theater | 0221 952 27 08
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