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„Brasilification“
Foto: Presse

Der Badeanzug als verwaltete Welt

19. Dezember 2013

„Transfusionen“ in der Studiobühne – Theater am Rhein 01/14

Postdramatischer Boulevard, ist das vorstellbar? Wer „Brasilification“ von kriese/walther/grissmer gesehen hat, muss der Frage vorbehaltlos zustimmen. Drei weiße Mitteleuropäer, in deren Biographien die brasilianische Kultur eine Rolle spielt, stellen die Frage, wie man sich der Armut in Favelas, der Lebensfreude, aber auch der Gewalt gegenüber verhält. Dazu werden drei Lebensläufe (angeblich autobiographisch) konstruiert: Von einem jungen Mann, der liebeskrank nach Sao Paulo flüchtet; vom Sohn aus reichem Haus, der in Brasilien aufwuchs; von einer Frau mit jüdischer Großmutter, die nach Brasilien ausgewandert ist, und mit einem stinkreichen Vater, der zum Alkoholiker wurde.

Das Trio verstrickt sich im Dickicht postkolonialer Theorien, faktischer Gewalt, von Favela-Analysen, Genderdebatten, rousseauistischem Authentizitätsgefasel und postdramatischer Selbstreflexion. Um die Armen in Brasilien geht es dabei gar nicht, sondern um ein mitteleuropäisches Ich zwischen Narzissmus und völliger Haltungslosigkeit. Sehr lustig, sehr entlarvend. Zwar spricht die Gruppe von „subversiver Affirmation“ als Kritik, letztlich aber ist das ein Abend über den Offenbarungseid der postmodernen Vernunft. Die Truppe trifft sich im Rahmen des Begegnungsformats „Transfusionen“ der Studiobühne mit dem cobratheater.cobra aus Hildesheim. Deren Stück „Ma Ma Hu Hu“ (heißt wirklich so!) geht in Sachen Narzissmus noch einen Schritt weiter.

Da bittet eine Performerin die Zuschauer, Badeanzüge auszusuchen, die sie sich kurz überstreift. Ihre fünf Kollegen tun es ihr nach. Dann fällt der Irrsinnssatz „Der Badeanzug ist Inbegriff der verwalteten Welt“. Man denkt, es geht um Voyeurismus, um Körper und Repräsentation, um Projektion, doch mehr als dramaturgischer Wirrwarr. Die Performer zappeln ein wenig herum und sprechen später von Choreographie. Dann halten plötzlich die Konju nktive eines imaginierten Lebens Einzug: Wunschwelten des „wäre“ und „würde“. Schließlich strandet man in totaler Selbstbespiegelung: Das Ich und seine Entfaltung auf der Bühne, Theater und Ich als Ware etc. cobratheater.cobra vollbringt das Kunststück, nur noch von sich zu sprechen und kaum verallgemeinerbare Erfahrungen auf die Bühne zu bringen. So viel Narzissmus war lange nicht.

TransFusionen IV: „Brasilification“ | 7./8.12. 20 Uhr studiobühneköln | 0221 470 45 13

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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