Zwei asiatische Männer laufen durch einen Wald. Der eine, leicht bekleidet, ist mit einer Leine gefesselt, der andere trägt eine schwarze Fahne. Beide tragen Masken, Nasen-Prothesen, einen goldenen Maulkorb, die Szenerie ist undefinierbar, der Wald ebenso. Schnitt. Beide sitzen in einem leeren Raum, jetzt ist der Fahnenträger sorgfältig an einen Stuhl gebunden, die Blicke sind starr, leer und triumphierend. Nebenan liegen noch ein paar Leblose mit Maulkorb gestapelt. Eine viertel Stunde wandern und sitzen sie, dann gehen zwei Hähne im Käfig aufeinander los. Nur einer wird gewinnen, der andere gefressen. „Blithe Tragedy“ (Fröhliche Tragödie, 2010) nennt der Chinese Ran Huang seinen Film um Sex und Gewalt. Eine Parabel die nicht erklärbar ist, die auch keine Versuche macht, sich zu offenbaren. Sie ist einer von 48 Streifen, die aus rund 1.700 Einreichungen in diesem Jahr für die Videonale 13 in Bonn ausgewählt wurden.
Der Amerikaner Nate Harrison ist Preisträger des Videonalepreises der KfW 2011. Unter den nominierten Videoarbeiten wählte eine fünfköpfige Jury die Arbeit des Künstlers mit dem Titel „Aura Dies Hard (Or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Copy)“ aus, in dem Harrison die Strukturen der Filmarbeit mit 48 historischen Beispielen hinterfragt und dabei auch amüsant die kaum verfügbare Einzigartigkeit des einzelnen Videos streift. Theorie hin, Theorie her, die Ausstellung bleibt eine visuelle Überdosis. Acht Räume, die nur mit einem eigenen oder ausgeliehenen Kopfhörer bewältigt werden können, ausreichende Sitzgelegenheiten laden zum Verweilen ein, doch schon nach einer Stunde fragt man sich wie lang eigentlich 15 Minuten sind und wie viel man verpasst, wenn man nicht einen halben Tag Zeit hat.
Hier in Übergröße schöne Augen, deren Wimpern ein sexuell aufgeladenes Techtelmechtel eingehen (Casilda Sanchez aus Madrid), dort im Flachbildschirm-Kleinformat Maria Ewa Tobolas erotischer Kuss mit der Mutter. Vergewaltigung und Zwangsprostitution, Zwerge, Trash und eine mit Zombies gepaarte Westernlyrik. 55 Minuten lang ist Shezard Dawoods „Feature“ (2008), in dem die Fetische unterschiedlicher Kulturen aufeinanderprallen und ein Filmkritiker im Indianerschmuck von Film Noir fabuliert. Gleich gegenüber dem chinesischen Traumwandelvideo erhascht der Besucher kleine frivole Szenen aus den 1930ern. Hier geht es um Zeit, mit Uhren, Burlesque-Tänzerinnen und tiefgefrorenem Goldfisch, Vanitas-Motive mit Physik-Charme. Reynold Reynolds „Six Easy Pieces“ ist vom Buch “Sechs Fingerübungen: Grundlagen der Physik erklärt von ihrem brillantesten Lehrer“, des berühmten Physikers Richard P. Feynman inspiriert. Vor "Summertale" der Polin Katarzyna Kozyra sitzt eine Besucherin, fasziniert vom merkwürdig bunten Schein der Transvestiten-Welt, der ziemlich blutig endet. Sie hat nicht einmal einen Kopfhörer dabei, bleibt dennoch die 20 Minuten zappelnd sitzen.
Viele kleine Arbeiten haben es schwer sich gegen die Großprojektionen zu behaupten, dennoch finden sich Außergewöhnlichkeiten in den Fernsehschirmen: Hier ein paar Bergszenen aus den 1950ern, dramatische Bilder einer zusammenstürzenden Brücke über den wilden Bach. Die Szenerie scheint bekannt, in "Silberwald" hat Christoph Girardet schließlich deutsche Heimatfilme aus der Zeit gesampled und nebeneinander gestellt. Ein Triptychon des immer gleichen, Landschaft, Liebe, Drama. Emotionale Bilder in klinischen Räumen, die Videonale 13 ist voll davon, doch ebenso viel Anteil hat das Feine, Dokumentarische aus fremden Ländern, der gefilmte Nachlass einiger Leben und die großartige Video-Performance der Hamburgerin Anahita Razmi, die beim Catwalk auf Highheels in 47 Minuten eine Flasche Vodka verputzt (Walking Drunk in High Shoes, 2010) und dessen Auswirkungen natürlich verheerend sind.
Videonale 13
Bis 29.5. 2011
Kunstmuseum Bonn
Infos: 0228 77 62 60
www.kunstmuseum-bonn.de
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