Der deutsche Schlagzeuger Wolfgang Haffner (*1965) gehört seit seinem achtzehnten Lebensjahr zur Elite der internationalen Jazzszene. Sein Spiel ist unverwechselbar und so melodisch, wie man es von einem Schlagzeuger nicht erwarten würde. Am 20. April ist er im Stadtgarten Köln zu Gast und stellt dort sein neues Album „Kind of Tango“ vor. Am 2. Mai folgt ein Auftritt bei der JazzNacht auf Zeche Zollverein in Essen.
choices: Wolfgang, warum ist „Kind of Tango“ kein Tango-Album, wie du immer so schön betonst?
Wolfgang Haffner: (lacht) Ganz einfach, weil es eben kein typisches Tango-Album ist, sondern ein Haffner-Album mit Tango-Einflüssen, was dann eben ein großer Unterschied ist! (lacht) Das fängt beispielsweise damit an, dass man im Tango normalerweise kein Schlagzeug findet. Und in diesem Fall ist zwar der wunderbare Akkordeonist Vincent Peirani dabei, aber auch nur bei einigen Tracks und nicht durchgehend. Ich wollte und könnte gar kein klassisches Tango-Album machen, das sollen andere machen. Konzept der „Kind of“-Trilogie ist, jeweils meine ganz persönliche Lesart eines Themas, eines Lebensgefühls abzubilden. Das war auch bei den Vorgängeralben schon so. Alles was ich mache, trägt meine Handschrift, „Kind of Tango“ ist also meine Übersetzung des Lebensgefühls Tango.
Und was macht dieses Lebensgefühl Tango für dich aus und fasziniert dich daran?
Tango und Melancholie sind untrennbar miteinander verbunden, auch in meiner Musik findet sich häufig Melancholie. Seit den 90er Jahren war ich einige Male in Südamerika auf Tournee, u.a. auch in Argentinien. Besonders prägend war für mich ein Konzert, das ich mit den German All Stars im weltberühmten Teatro Colon 2004 in Buenos Aires spielen durfte, der zweite Teil des Abends wurde vom Ensemble von Astor Piazzolla bestritten, bevor wir dann gemeinsam den Abschluss machten. Das war für mich ein wirklich besonderes und einschneidendes Erlebnis – seitdem hat mich der Tango nicht mehr losgelassen. Was die Herrschaften zelebriert haben, war nicht von dieser Welt!
Wie kam es denn überhaupt zu der Reihe „Kind of“ mit den Vorgängern „Kind of Cool“ und „Kind of Spain“?
Die Idee kam von Siggi Loch, dem Chef des ACT Labels. Als erstes schlug er mir die Idee zu „Kind of Cool“ vor, womit er gleich mal direkt ins Schwarze traf, weil ich als Jugendlicher viel Cool Jazz gehört und auch lieben gelernt habe. „Kind of Spain“ lag auch auf der Hand, weil ich viele Jahre in Spanien gelebt habe, und dort natürlich auch – oh Wunder – mit spanischer Musik in Verbindung kam. (lacht) Alle drei Themen haben mich auf Anhieb angesprochen, es brauchte keine weitere Überzeugungsarbeit.
Die beiden Vorgänger-Alben hast du mit dem Bassisten und Cellisten Lars Danielsson und dem Vibraphonisten Christopher Dell eingespielt. Wieso ausgerechnet mit dieser Besetzung und nicht einer eher klassischen wie beispielsweise einem Jazztrio?
Das hat gerade auch wieder mit der eigenen Handschrift und dem „Kind of“ zu tun. Die ungewöhnliche Besetzung mit Vibraphon habe ich auch deshalb gewählt, weil sie so gerade nicht immer vorkommt. Vibraphone in der spanischen Musik oder im Tango? Fehlanzeige! (lacht) Und genau an diesem Punkt fängt‘s für mich an interessant zu werden! Ich habe ein Faible für Instrumentierung, u.a. dadurch kann eine Platte besonders und eigenständig klingen. Für „Kind of Tango“ habe ich mir sehr viele Gedanken zur Instrumentierung gemacht. Neben Christopher Dell habe ich die junge Sängerin Alma Naidu dazugeholt, sie singt einfach fantastisch.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit den weiteren Musikern, die auf „Kind of Tango“ zu hören sind?
Christopher Dell und Lars Danielsson kenne ich wie gesagt schon sehr lange – eigentlich seit Jahrzehnten. Der Pianist Simon Oslender ist seit zwei Jahren fester Bestandteil meiner Band. Gemeinsam mit der Sängerin Alma Naidu gehört er auch zum herausragenden Jazz-Nachwuchs. Ich bin viel in der Welt unterwegs, und halte Augen und Ohren für neue Talente offen. Alma habe ich letztes Jahr bei einem Festival gehört und kennengelernt. Da war mir sehr schnell klar, dass wir bald etwas gemeinsam machen würden. Die Kombination von erfahrenen und jungen Musikern, die frischen Wind in die Sache bringen, finde ich sehr spannend. Sebastian Studnitzky ist immer meine erst Wahl, wenn es um Trompete geht. Dazu kam noch mein guter Freund Bill Evans, seines Zeichens einer der wichtigsten Saxophonisten der Welt und ein grandioser und eigenständiger Musiker! Bei der Live-Tour wird es leicht geänderte Besetzung geben: Wir sind als Quintett unterwegs, neben mir noch Simon Oslender, Alma Naidu, Christopher Dell, und der grandiose Bassist Claus Fischer, also kein Akkordeon am Start. Ich freue mich sehr drauf, die Stücke auf die Bühne zu bringen, und das Publikum mit auf die Reise zu nehmen. Für meine Konzerte überlege ich mir sehr genau, was wir spielen. Alle Stücke zusammen ergeben ein langes Stück, jeder Song hat seinen bestimmten Platz, oder auch nicht, dann wird er aber auch nicht gespielt.
Wie bist du eigentlich zum Schlagzeug gekommen?
Weil wir eines zu Hause stehen hatten. (lacht) Mein Vater war Kirchenmusikdirektor, aber musikalisch immer schon sehr offen. Anfang der 70er Jahre begannen dann auch bei uns in der Gemeinde die Familiengottesdienste, die musikalisch modern gestaltet werden sollten. Nachdem dann mein Vater einmal an einem Jazzworkshop teilgenommen hatte, war er absolut Feuer und Flamme und kaufte für die Gemeinde Band-Instrumente, die dann bei uns im Wohnzimmer standen. So habe ich mit sechs Jahren angefangen, das Schlagzeug auszuprobieren und einfach mitgemacht, wenn Hausmusik anstand – musikalisch gesehen war da vieles dabei, Bach, Mozart, Pink Floyd und viele andere. Meinen ersten öffentlichen Auftritt hatte ich dann 1975 mit der ganzen Familie bei einem Kirchentag. Und von da an habe ich mich vom Schlagzeug nicht mehr abbringen lassen.
Wie fanden deine Eltern die Entscheidung, das Schlagzeug zum Beruf zu machen?
So ganz wohl war ihnen bei der Sache am Anfang nicht. Ich hab mich dann ihnen zuliebe zur Aufnahmeprüfung in Köln angemeldet, weil man in Nürnberg damals noch keine Jazzabteilung hatte, in Köln aber schon. Aber dann hatte ich am Aufnahmeprüfungstag keine Lust nach Köln zu fahren und habe es dann auch gelassen. Ich glaube, meine Eltern waren dann beruhigter, als eines Tages Albert Mangelsdorff und Max Greger anriefen und mich in ihren Bands haben wollten. So bin ich dann mit achtzehn Jahren zu Albert Mangelsdorff gekommen, und hatte von da an sowieso keine Zeit mehr für ein Studium. Max Greger hab ich seinerzeit direkt abgesagt, sowas wollte ich nicht machen (lacht). Dieses eher unstete Leben mit ständig wechselnden Projekten war etwas, woran sich meine Eltern gewöhnen mussten. Aber sie haben mich immer unterstützt und haben mich einfach machen lassen. Ich hatte eine ganz tolle Kindheit und bin meinen Eltern unendlich dankbar.
Wenn man dich spielen hört, hört man Melodien, was ja nicht unbedingt typisch für Schlagzeuger ist. Hast du neben dem Schlagzeug auch noch ein anderes Instrument gelernt?
Ja, ganz klassisch Klavier. Auch dafür bin ich meinen Eltern auf ewig dankbar. Als ich mich eigentlich als Kind völlig auf das Schlagzeug und auf das Fußballspielen konzentrieren wollte, haben sie dafür gesorgt, dass ich aber weiterhin Klavier lerne. Das war ihre einzige Voraussetzung, alles andere tun zu dürfen, und darüber bin ich sehr froh.
Das erleichtert dir ja mit Sicherheit auch das Komponieren, oder? Auf deinen CDs sind ja immer wieder auch zahlreiche Eigenkompositionen zu hören.
Ich liebe es Musik zu komponieren, und das Klavier hat mir dabei auch sehr geholfen bzw. tut es noch immer. Mein erster großer musikalischer Einfluss war Johann Sebastian Bach, meine Liebe zu Harmonik und Melodik kommt eindeutig durch ihn. Sowohl beim Trommeln, als auch beim Komponieren, Arrangieren und Produzieren geht es mir immer darum, was die Musik braucht. Die Frage ist also nicht, was ich in der jeweiligen Situation spielen will, sondern was der Musik gut tut! Und im besten Falle spiele ich das dann auch. (lacht) Steve Gadd, einer der größten Schlagzeuger aller Zeiten, und ein langjähriger Freund, sagte mir mal einen Satz, der genau das 100% auf den Punkt bringt: „Wolfie, always let the song tell you what to play.“ Es ist wie bei einem Gespräch: zuhören, und erst dann reden, wenn es was mitzuteilen gibt, und wenn nicht, dann einfach mal still sein. (lacht) Die Freiheit, die man im Jazz genießt, beinhaltet auch eine Verantwortung. Nur weil man spielen kann, was man will – zugespitzt gesagt – heißt es nicht, dass man unbedingt wild drauflos spielt, und obendrein zeigt, was man alles geübt hat. Zunächst also Ohren auf, die Musik wird den Weg weisen!
Wolfgang Haffner & Band | geplant: Mo 20.4. 20 Uhr | Stadtgarten
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