Seit etwa einem Jahr wird im Nebel gestochert. Von den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA (TTIP) dringt kaum etwas nach außen. Geheim, geheimer, TTIP muss wohl die Steigerungsform heißen. Es ist die Stunde der neoliberalen Lobbyisten und Strippenzieher. Immerhin: Seit drei Politiker der Grünen das geheime Verhandlungsmandat der europäischen Delegation geleakt haben (www.ttip-leak.eu), wissen wir wenigstens, wie widersprüchlich dieses Mandat ist. Die clandestinen Machenschaften der Delegationen sorgen vor allem im Kultursektor für Nervosität. Im Februar hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters Filmproduzenten vor einer sogenannten „Liberalisierungsverpflichtung der Kultur“ gewarnt, kurz darauf verbündeten sich so unterschiedliche Akteure wie das Netzwerk Attac und der Deutsche Kulturrat. Gerade hat der Deutsche Bühnenverein, der Lobby- und Arbeitgeberverband der Orchester und Theater, auf seiner Jahreshauptversammlung vehement vor einem Ausverkauf der öffentlichen Kulturförderung gewarnt.
Ziel des TTIP ist die Schaffung eines transatlantischen Marktes, der größten Freihandelszone der Welt durch Abbau von Zöllen und Vereinheitlichung von Regulierungsstandards. Diese Vereinheitlichung greift vor allem soziale, ökologische oder kulturelle Standards in Europa an. Für die Kultur könnte dies beispielsweise bedeuten, dass die öffentliche Subventionierung von Museen und Theatern, dass Filmförderung oder Buchpreisbindung, im gravierendsten Fall sogar der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Frage gestellt wären. Die Amerikaner wünschen sich nichts lieber, als ihren Giganten Amazon, Apple und Google eine Bresche in den geschützten Kultur- und Medienbereich zu schlagen. So könnte die öffentliche Förderung deutscher Orchester und Theater als unzulässige Subvention genauso gekippt werden wie die Buchpreisbindung. Die Verhandlungsposition der EU ist dabei mehr als ambivalent. Einerseits will man angeblich die öffentliche Kulturförderung bewahren, andererseits sollen in Zukunft Zuschüsse über 50 Millionen Euro an ein Theater oder Orchester in einem Notifizierungsverfahren in Brüssel auf ihre subventionsrechtliche Unbedenklichkeit geprüft werden. Der billige Witz am TTIP: Zum Freihandelsabkommen gehört ein Investorenschutzabkommen, das Konzernen ermöglichen soll, vor einem Schiedsgericht einen Staat auf entgangene Gewinne zu verklagen.
Zu denken gibt dabei, dass die USA bis heute die Unesco-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt nicht unterschrieben haben. Und dass das angeblich ausverhandelte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada CETA bis heute nicht veröffentlich ist. Was im TTIP für die Kultur grundsätzlich zur Debatte steht, ist die Frage, ob der Staat für eine kulturelle Grundversorgung seiner Bürger einstehen darf. Ob jeder das Recht auf bezahlbare Kultur hat oder nicht. Dass sich die Gegner des TTIP ins Zeug legen, hat einen schlichten Grund: Nach Verhandlungsschluss 2015 will die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten nicht mehr über den Vertrag abstimmen lassen. Wer jetzt nicht gegen TTIP mobil macht, hat die Kultur bereits preisgegeben.
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