Nachdem die Kölner Kammeroper mit „Cabaret“ und „La Cage aux Folles“ punkten konnte, mit „My Fair Lady“ sogar die lahme Inszenierung der großen „Oper-Schwester“ übertraf, überhob man sich nun mit einer Eigenproduktion: „Mozart Superstar“. Und das mit Ansage! Denn wenn man einem schamlosen Plagiator wie Ulrich Gerhartz, der schon mit seinen „Phantom der Oper“- und „Mamma Mia – Come Together“-Tourneen das Publikum getäuscht und verärgert hatte, das Buch und die Musikproduktion überlässt, muss man eigentlich wissen, was herauskommt: Musik aus der Konserve, die an die unsäglichen „Hooked on Classics“-LP‘s der 80er Jahre erinnert. Mit dieser zudem noch schlecht abgemischten „Soße“ werden nun Stationen im Leben des ebenso genialen wie pubertären Musik-Genies übergossen – und leider auch gesungen: „Leck mir den Arsch recht schön!“
Musical-Star Patrick Stanke, der selbst schon den „Mozart!“ gespielt und sich als Musical-Regisseur am Wuppertaler TiC-Theater einen Namen gemacht hat, gerät hier an seine Grenzen: Denn wo nichts außer Zoten und Kaufhaus-Philosophie vorhanden ist, gibt‘s auch nichts zu inszenieren. Da auch die Musical-Darsteller von Buch und Arrangements im Stich gelassen werden, gibt es zudem nichts Interessantes zu sehen und zu hören. Einzig das von Rachele Pedrocchi choreografierte Ballet sorgt für einige Hingucker bei diesem Stück, das man erst noch einmal überarbeiten müsste, ehe man es in den Papierkorb schmeißt.
Auch das bisher Musical-abstinente Schauspielhaus Köln setzte auf eine Eigenproduktion und gab beim österreichischen Multitalent David Schalko ein Musical in Auftrag. Schalko, der mit seinen TV-Serien um Gier und Korruption („Braunschlag“, „Altes Geld“) Aufsehen erregt hatte,tat sich mit dem norwegischen Musicaldarsteller und Komponisten Kyrre Kvam zusammen, um „Kimberly“ zu entwickeln: Eine lose auf Tatsachen beruhende, morbide Dorfgeschichte um Einsamkeit, Mord und Sehnsucht. Da ihnen der Begriff „Musical“ zu verpönt erschien, nannten sie es schließlich Singspiel. So steht nunKyrre Kvam am Keyboard über der Bühne, spielt und singt, begleitet von einer Gitarre und einem Cello: „Halt mich fest bis es schmerzt, stoß den Kummer in mein Herz.“
Die Songs erzählen die Geschichte nicht weiter. Macht aber nichts, da auch keine Handlungs-Dramaturgie zu erkennen ist. Wenn man nicht das Programmheft gelesen hat, muss man sich alles mühsam zusammenreimen: Die Gefängnis-Psychologin ist der Mörderin Kimberly verfallen und entläßt sie in ein Dorf, das von skurrilen Gestalten nur so wimmelt. Natürlich wird sie rückfällig....
Schalkos intellektuelle Kalendersprüche („Seit 65 Jahren starre ich auf Körper, deren Bewohner dauerhaft auf Urlaub sind“) stehen genauso zusammenhanglos im Raum, wie die Figuren bar jeder Schauspielführung chargierend – und manchmal auch sinnfrei nackt – durch das Bühnenbild von Peter Baur wuseln. Das atmet mit seinen Video-Scherenschnitt-Projektionen in Split-Screen-Manier immerhin jenes Talent, das Musik und Regie völlig abgeht.
„Mozart Superstar“ | R: Patrick Stanke | Fr 8.4. 19.30 Uhr, Sa 9.4. 19 Uhr | 0221 24 36 12
„Kimberly“ | R: David Schalko | So 13.3. 18 Uhr, Do 31.3. 19.30 Uhr | Depot 1 | 0221 22 12 84 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Vererbte Traumata
Stück über das Thiaroye-Massaker am Schauspiel Köln – Prolog 12/24
Flucht auf die Titanic
„Muttertier“ am Schauspiel Köln – Prolog 03/24
Parolen in Druckerschwärze
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ am Schauspiel Köln – Auftritt 03/24
„Es wird ein Kampf um Vormachtstellung propagiert“
Rafael Sanchez inszeniert „Die letzten Männer des Westens“ am Schauspiel Köln – Premiere 03/24
Dunkle Faszination
Franz Kafkas „Der Prozess“ am Schauspiel Köln – Auftritt 02/24
Wiederholungsschleife
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/24
Standbein und Spielbein
Pinar Karabulut und Rafael Sanchez gehen nach Zürich – Theater in NRW 01/24
„Der Roman lässt mich empathisch werden mit einer Mörderin“
Regisseur Bastian Kraft über „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Premiere 01/24
Ein Martyrium der Erniedrigung
„Kim Jiyoung, geboren 1982“ am Schauspiel Köln – Auftritt 12/23
Ohne Opfer kein Krimi
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Prolog 12/23
Ende der Zivilisation
„Eigentum“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 11/23
Verliebt, verlobt, verlassen?
„Erstmal für immer“ am Schauspiel Köln – Prolog 10/23
Zwischen Musical und Komödienstadl
„Bikini Skandal“ an der Kölner Volksbühne – Musical in NRW 08/24
Die Seele geraubt
„Hello Dolly“ am Gelsenkirchener MiR – Musical in NRW 04/24
Nicht gerade familientauglich
„Frankenstein Junior“ an der Oper Bonn – Musical in NRW 10/23
Wohliges Gruseln im Bergischen
„Addams Family“ im Wuppertaler TiC-Theater – Musical in NRW 06/23
Alle Jahre wieder
„Rocky Horror Show“ am Capitol Theater – Musical in NRW 06/22
Abschied von einer Diva
„Sunset Boulevard“ in Krefeld – Musical in NRW 04/22
Zwei Flops und ein Volltreffer
„Der Mann von La Mancha“ am Theater Münster – Musical in NRW 03/22
Schillernde Vielfalt
Endlich wieder Musicals auf den NRW-Bühnen – Musical in NRW 01/22
Hagen liegt am Broadway
Monty Pythons „Spamalot“ am Theater Hagen – Musical in NRW 11/21
Nur ein paar (Stepp-)Schritte vom Broadway entfernt
„Chicago“ an der Bonner Oper – Musical in NRW 10/21
Sting kann auch Musical
Deutsche Erstaufführung von „The Last Ship“ in Koblenz – Musical in NRW 09/21
Hippie-Flower-Power-Rock
„Hair“ auf Burg Wilhelmstein bei Aachen – Musical in NRW 07/21
Das Musical-Phänomen schlechthin
„The Fantasticks“ in Bad Godesberg – Musical in NRW 07/21