Als das Kind feststellte, ein „Mädchen“, so der Fachausdruck in Casting-Shows, zu sein, wurde ihm schummrig. Das schwache Geschlecht – oh nein – frei zur Vergewaltigung. Keine gute Aussicht. Die Geschichte von Frau und Mann mutet so absurd an, dass man schreien möchte, liest sich jene doch wie eine Anleitung zum Selbstmord. Denn wer vergleicht, schafft Niedergeschlagenheit. Orientiert wurde sich stur darwinistisch und dummer Weise am weißen, stärkeren Mann. Das Ergebnis: ungleiche Bezahlung. Psychische Erkrankungen. Männer in Chefstühlen. Frauen hingegen nur selten in Spitzenpositionen. Höchstens zum Anfassen als Praktikantinnen geparkt unter deren Schreibtisch. Beklemmendes Unwohlsein im eigenen, dem Manne nachgeäfften künstlichen Astral-Körper. Pillen und Sporteln helfen, versprechen kitschige Slogans und der vermeintlich emanzipierte Kapitalismus, dem sich auch die Frau zu unterwerfen hat – trotz bewiesener körperlicher Unterschiede. Äff den Mann nach?!
Der alte weiße Mann: vergessen
Inzwischen flackern Episoden weiblicher Hoffnung am zuvor schier maskulinen Himmel auf – durch das Frauenwahlrecht – spät – aber immerhin. Dank viel diskutierter Debatte um die Frauenquote. Dem Feminismus. Der Pille und anderen Verhütungsmitteln. Dem Recht, abzutreiben. Zumindest in Deutschland. Den offeneren Dialog angesichts Übergriffen durch Me Too nicht zu vergessen. Immerhin gibt es inzwischen Politikerinnen, die das Boot gar nicht so ruppig zu kentern scheinen wie ihre männlichen Genossen. Die Frau von heute soll sich darüber gefälligst freuen! Schließlich würde uns doch alles paradiesisch hinterhergeworfen. Also haltet doch bitte eure lästige, wimmernde Klappe. In manchem männlichen Körper schwillt inzwischen die brennende Sorge an, nun würde der weiße alte Mann samt seines dominanten Geschlechts – huch – komplett vergessen. Der Arme! So bilden sich Manndats-Truppen, die ihre maskulinen Rechte zurückstampfen wollen. Back to the völkische Herd?!
Daneben die Frage – Sprösslinge im vermeintlichen Galopp werfen, diese versorgen, ohne dabei selber vor Hunger ins Tuch zu beißen? Mutti werden und Broterwerb sei doch heutzutage ein Klacks – schließlich gäbe es massenhaft Betreuung. Noch immer wird der Nachwuchs jedoch rein durch den weiblichen Unterleib mit allem damit verbundenen Schmerz blutig in diese Welt hinein gezerrt oder hinaus operiert. Ein gerechteres Fruchtbarkeits-Wechselmodell muss noch erfunden werden. Vieles hat sich gebessert, klar, musste sich aber auch verändern, damit sich nicht alle Frauen gleichzeitig umbrachten. An der Pille für den Mann wird – die Nebenwirkungen kritisch beäugend – herumgedoktert, während jene bei Frauen komischer Weise in Kauf genommen werden. Dennoch – Frauen nur gleichsetzen mit Opfern? Sollten jene nicht viel mehr Achtung erhalten als die rein leidtragendeRolle?
Vision
Die Zukunftsvision aus weiblicher Sicht: Eine traumhaft anmutende Welt, in der es hoffentlich keine lästigen unterschiedlichen Geschlechter mehr gibt. Nur noch im Museum – futuristisch in Form einer Kapsel, die der Besucher betritt, in der er die Gefühle der anderen historisch nachempfinden kann: inklusive der Vergewaltigung, der Geburt, des Jagens und Sammelns. Sowie der geparkten Praktikantin im verstaubten Museumsfach hinten links.
FRAU ALLEIN - Aktiv im Thema
femmetotal.de | Femme Total in Köln vernetzt Frauen aus der Kreativbranche und beratenden Berufen und bietet Veranstaltungen, Workshops und Seminare an.
www.equalpayday.de | Rechnerisch arbeiten Frauen die ersten 66 Tage des Jahres umsonst. Zum Equal Pay Day am 7. März gibt es Kampagnen und Aktionen.
equalcareday.de | Die Städtekonferenz am 1. März bietet Vorträge, Workshops und Panels zur Sorgearbeit.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@choices.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Debakel von Delphi
Intro – Frau Allein
Eine Klasse für sich
Ein Feminismus, der sich allein auf Vorstandsposten kapriziert, übt Verrat an Frauen – Teil 1: Leitartikel
„Sorgearbeit wird zum Nulltarif in Anspruch genommen“
Soziologin Uta Meier-Gräwe über Haus- und Erwerbsarbeit von Frauen – Teil 1: Interview
Ein Tabu zu viel
Paula e.V. Köln berät Frauen ab 60 Jahren, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind – Teil 1: Lokale Initiativen
Mensch ist nicht gleich Mann
Gendermedizinisch forschen und behandeln – Teil 2: Leitartikel
„Nicht bei zwei Geschlechtern stehen bleiben“
Gesundheitsexpertin Anke-Christine Saß über Gendermedizin – Teil 2: Interview
Gendern rettet Leben
Neue Professur für geschlechtersensible Medizin an der Bielefelder Universität – Teil 2: Lokale Initiativen
Die hormonelle Norm
Zu den Herausforderungen des weiblichen Führungsanspruchs – Teil 3: Leitartikel
„Es ist Frauen wichtig, machtvolle Netzwerke aufzubauen“
Politologin Helga Lukoschat über Frauenquoten und feministische Außenpolitik – Teil 3: Interview
Angst-Räume beseitigen
Die Wuppertaler Stabsstelle für Gleichstellung und Antidiskriminierung – Teil 3: Lokale Initiativen
Vor dem Arzt sind alle gleich
Gleichberechtigung in der Gesundheitsversorgung – Europa-Vorbild: Malta
Spielend ins Verderben
Wie Personalmanagement das Leben neu definierte – Glosse
Ode ohne Freude
Gedanken zur EU – Glosse
Sinnenbaden im Meer
Ode an das Meer – Glosse
Blutige Spiele und echte Wunden
Gewalt in den Medien: Ventil und Angstkatalysator – Glosse
Gib mir Tiernamen!
Wie sich die Natur schwuppdiwupp retten lässt – Glosse
Nur die Lokomotive
Verloren zwischen Bett- und Lebensgeschichten – Glosse
Der heimliche Sieg des Kapitalismus
Wie wir vergessen haben, warum wir Karriere machen wollen – Glosse
Im Sturm der Ignoranz
Eine Geschichte mit tödlichem Ausgang – Glosse
Märchenspiegel 2.0
Vom Streben nach konformer Schönheit in feministischen Zeiten – Glosse
Von der Barbarei der Debatte
Natürlich kann man vermeiden, dass irgendwer Dinge hört, gegen die er allergisch ist – Glosse
Staatsmacht Schicht im Schacht
Mögen Körperflüssigkeiten den Parlamentarismus retten – Glosse
Neidischheit und Geiz und Reichheit
Die Reichen sind geizig und die Armen neidisch. Klare Sache? – Glosse
Der Beverly Hüls Cop
Warum Gewaltenteilung, wenn es nur eine Gewalt braucht? – Glosse
Gemeinsam einsam
Die Kunst, nebeneinander zu sitzen und Welten entfernt zu sein – Glosse