Einer nachvollziehbaren, zeitgenössischen These zufolge sind wir privilegierten, hellhäutigen Menschen nicht zuletzt aufgrund unseres epischen kolonialen Hintergrunds allesamt grundsätzlich rassistisch geprägt. Denkt man das weiter, dann sind wir eines erst recht, und das hautfarbenübergreifend: grundsätzlich sexistisch geprägt! Die Geschlechterrollen waren seit Anbeginn klar verteilt: Ich Jagd, du Feuerstelle – zumindest nach männlicher Geschichtsschreibung. Um diese Ausrichtung auch in die Zivilisation zu retten, wurde das Prinzip einfach zusätzlich im Glaubenskanon verankert: Ich Mann, du Schuld! Und so zog sich das durch bis heute. „It’s a man’s world, but it wouldn't be nothing without a woman or a girl“, singt James Brown 1966 und lobpreist darin den Mann als Allmachtsmacher, dem wir Fortbewegungsmittel von der Arche bis zum Auto verdanken. Immerhin: Ohne Frau sei der Mann „lost in bitterness“. Frauen sind halt doch unverzichtbar. Also, jenseits von Wirtschaft, Kirche, Politik.
Frauen an die Machthebel!
Was James Brown nicht besingt, sind natürlich all die Dinge, die der Mann in seiner ewiglich ruhmreichen Vorherrschaft verbaselt hat. Das alles aufzuzählen, würde einen Songtext ebenso sprengen wie dieses Format. Es reicht aber, darauf zu verweisen, wo wir, dank Mann, heute sind: am Arsch! Ein kriegerischer Testosteronplanet, auf dem uns das Klima um die Ohren fliegt. Die Alphafreaks, die zurzeit die Weltpolitik bestimmen, verkörpern die tragisch karikatureske Quintessenz des über Äonen erwachsenen männlichen Führungsanspruchs: Wladimir Putin auf dem Pferd, Boris Johnson auf den Lockdown-Partys, Donald Trump egal wo.
Es nützt nichts: Frauen müssen ran an die Machthebel! Es reicht eben nicht, wenn die eine Hälfte der Bevölkerung in der Demokratie bloß repräsentativ vertreten wird. In der Realpolitik heißt das nämlich: Mann vertritt Frau – nicht. Beispielhaft spiegelt sich das Scheitern des repräsentativen Ansatzes im medizinischen Sektor: In den vergangenen Dekaden untersuchte die Forschung vor allem Männer und hat Medikamente fast ausschließlich an Männern getestet. Die männliche Dosis als Maßstab für die Menschheit. Man’s World – Man‘s Health. Die Welt ist auf den Mann ausgerichtet. Das gilt für die Religion bis hin zu den Künsten: Der Mann, sein „Werk“ ist die Norm. Immerhin, in den letzten Jahrzehnten der zwei Millionen Jahre währenden Menschheitsgeschichte gab es Bewegung. Doch der Weg nach oben bleibt steinig, und oben wird es nicht besser. Aktuelles Beispiel: Annalena Baerbock, die seit Amtsantritt in Politik und Bevölkerung rundum gedisst und beschmunzelt wird – zuvorderst, weil sie eine Frau ist. Übrigens von Frau und Mann gleichermaßen, da hat die sexistische Prägung ganze Arbeit geleistet.
Auch Frauen haben das Recht, zu versagen
Nein, die Quote ist bloß ein Anfang. Die eigentliche Herausforderung ist und bleibt die Norm. Die Norm wird nämlich nicht mal eben so durch numerische Ausgeglichenheit aufgeweicht. Denn: Die Frau wird automatisch am Mann gemessen. Frauen müssen nicht nur mindestens so „gut“ sein wie Männer, von ihnen wird vor allem erwartet, dass sie die Politik des Mannes strikt fortführen. Verwalten. Vorschlag: Weg mit dem Vergleich! Weg mit der Erwartung! Denn: Frauen haben ebenso wie Männer das Recht dazu, es zu verbaseln. Man muss den Frauen aber die Chance dazu einräumen. Darum geht’s! Wo es einen Höcke gibt, da gibt’s auch eine Weidel. Arschlöcher gibt’s überall. Aber auch Chancen. Alternativen. Die Menschheit braucht eine Zweitimpfung: Her mit der weiblichen Dosis!
FRAU ALLEIN - Aktiv im Thema
femmetotal.de | Femme Total in Köln vernetzt Frauen aus der Kreativbranche und beratenden Berufen und bietet Veranstaltungen, Workshops und Seminare an.
www.equalpayday.de | Rechnerisch arbeiten Frauen die ersten 66 Tage des Jahres umsonst. Zum Equal Pay Day am 7. März gibt es Kampagnen und Aktionen.
equalcareday.de | Die Städtekonferenz am 1. März bietet Vorträge, Workshops und Panels zur Sorgearbeit.
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