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Franziska Schmid in „Heimat A.T.“
Foto: Monika Nonnenmacher

Amseln und Sargmacher

27. Februar 2019

Die Casamax macht Lust auf vollkommen ungewöhnliches Theater – Kulturporträt 03/19

Große Feiern gibt es nicht, dafür ist man zu nahe an der Realität. Dabei geht die Casamax nun in das 31. Jahr ihres Bestehens. Hille Marks war von Anfang an im Boot, sie hat das Theater auf Kurs gehalten. Keine leichte Aufgabe in den schwierigen Gewässern der freien Szene, die immer mit finanziellen und künstlerischen Herausforderungen zu kämpfen hat. Als Theater für Erwachsene gründete eine Gruppe von Enthusiasten, zu der 1988 auch Brasilianer und Italiener gehörten, diese einzigartige Bühne in einem Gewerbehof in Köln-Sülz unweit der Universität. „Wir wollten damals neue Darstellungsformen entwickeln und hatten genug von literarischen Bühnen, wir wollten hin zum Körpertheater“, erinnert sich Hille Marks. Aus diesem Gedanken erwuchs dann später die Idee zur „Gesellschaft der Düfte“. Eine erfolgreiche Produktion, die nach einer außergewöhnlichen Fortsetzung verlangte. Denn zu Beginn des Jahrtausends befand sich Köln-Sülz statistisch in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Berlin-Prenzlauer Berg um den Titel des kinderreichsten Stadtteils in Deutschland. Mit jedem Jahr wechselte die Führung und da lag die Überlegung nahe, auch einmal eine Produktion für das junge Publikum zu riskieren. „Wonach riecht es hier?“ funktionierte dann auch auf Anhieb.

Heute zählt die Casamax zu den renommiertesten Bühnen der Stadt. Zweimal gewann das Theater mit Regiearbeiten von Matthias Weiland den Kölner Theaterpreis und inzwischen verzeichnet man alleine sieben Nominierungen. Das spricht für beständige Qualität. 2012 stand der Casamax zudem ein „Glücksfall“ ins Haus, wie Hille Marks betont. Damals bewarb sich Ragna Kirk um eine Stelle. „Ich habe ihr gesagt, das ist toll, aber ich habe kein Geld. Sie ist trotzdem gekommen“, erklärt Marks, die sich seither die Leitung mit der ehrgeizigen Theatermacherin teilt, die zuvor die Organisation des Orangerie-Theaters im Volksgarten bewerkstelligt hatte. „Wir schmiegen uns nicht an die Zeitgeist-Themen an“, sagt Ragna Kirk, „sondern verstehen uns als politische Theatermacherinnen. Es ist wichtig im Kindertheater zu fragen, was Demokratie bedeutet und wie wir in einer immer schneller getakteten Gesellschaft miteinander umgehen.“ Sie will, dass „sich etwas in den Menschen verändert hat, wenn sie hier heraus gegangen sind“.

Dass es sich hier nicht um große Worte handelt, wie man sie so häufig von Theaterleuten hört, beweist der Spielplan der Casamax. Ein Stück wie „Wer? Wie? Was? Wal? Warum?“ beschäftigt sich mit Umweltzerstörung. In „Don Qui 2x-=+“ erzählen Esel und Pferd die Geschichte von Don Quichote und Sancho Pansa. Sehr originell und voller kluger Gags wird hier Weltliteratur für Kinder geboten. „Die Tochter des Sargmachers“ erzählt auf eine Weise vom Tod, die man nicht mehr vergisst. Nach „Mondkalb und Bachwiesel“ ist man für alle Zeit für Lyrik und Reime gewonnen und „Frau Meier, die Amsel“ spielt das Theater seit fast 20 Jahren, vielleicht weil das Stück Wolf Erlbruchs Bildern so nahe kommt.

In der Casamax wird das Theater mit jeder Produktion neu erfunden. Es ist ein Genuss, zu beobachten, wie jeder Stoff seine eigene Erzählform erhält. Das Theater wird hier als Labor verstanden, in dem das ausprobiert und diskutiert werden kann, was sonst nirgendwo zur Sprache kommt. Ragna Kirk musste die Erfahrung machen, dass viele Kinder gar nicht wissen, dass auch an ihrer Schule Flüchtlinge unterrichtet werden. Wenn es um Umweltschutz geht, dann scheint das Schicksal der Wale weit entfernt, bis man auf die Plastiktüten aus dem Supermarkt kommt, an denen die Fische verenden.

Derzeit ist „Heimat A.T.“ das Stück, mit dem man sich in die Flüchtlingsdebatte einmischt. Wie sehen die Ängste jener aus, die zu uns kommen und wie sehen die Ängste derer aus, die ihren Wohlstand von anderen bedroht sehen? In der Casamax gibt es keine voreiligen Antworten, aber immer eine Möglichkeit, die Welt aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Ein Kunststück, das nur wenigen Theatern gelingt, aber den Besuch im lichten Hinterhof an der Berrenrather Straße stets zu einem inspirierenden Erlebnis macht.

Casamax Theater | Berrenrather Str. 177 | www.casamax-theater.de

Thomas Linden

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