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„German Ängst – Angst essen Seele auf“
Foto: Christof Wolff

Angsthasen im Luftkissen

29. September 2016

Daniel Schüßler inszeniert „German Ängst“ – Theater am Rhein 10/16

Sie gehören zum Ritual, die Umfragen unter Bundesbürgern, die einerseits von wirtschaftlicher Zufriedenheit berichten, andererseits von grassierender Zukunftsangst. Sei es vor Terroranschlägen, Flüchtlingen oder dem Verlust des Lebensstandards. Die Produktion „German Ängst“ des Analogtheaters bedient sich eines eingeführten Topos und setzt ganz auf Autoinspektion. Die Angsthasen schauen also in den Spiegel – und sehen zunächst nur ein Wabern. Zu Mahlers „Nun will die Sonn“ aus dem Zyklus der „Kindertotenlieder“ bäumt sich zuckend ein schwarzweißes Luftkissen mit Klebestreifen auf: Die Blähungen der deutschen Angst-Seele. Fünf Gestalten in grauer Trainingshose und Tanktop mit Hütchen, Pickelhaube und Polizeimütze – Trainingsgruppe, Insassen? – gesellen sich dazu. Sie schauen furchterfüllt auf das Kissen, aus dem sich schließlich ein gehörntes Michelinmännchen im braun-rot-violetten Fatsuit herausschält.

Regisseur Daniel Schüßler und das Analogtheater umkreisen die objektlose Angst (nicht die konkrete Furcht) in ihren Aggregatszuständen zwischen Wut, Imponiergehabe, atavistischem Grunzen oder abbrechenden Erklärungen. Die grauen Wesen flüchten in wiederkehrende Gewaltgesten, Muskelspiel und mechanistisches Gezappel. Dorothea Förtsch setzt zu einer Endlos-Absage an die Theorie vom Ende der Geschichte an. Die Wiederholungen der Gesten und Texte wirken wie ein Echoraum und ähneln Beschwörungsgesten. Das Programmheft spricht von einem historischen Nachhall und seinen Überlagerungen in der Gegenwart. Pickelhaube, Polizeimütze und Karnevalshütchen werden als gesellschaftliche Abwehrzauber gegen die Angst vorgeführt. Tomasso Tessitoris setzt zur Selbstvergewisserung mit einer Rede zur Familie und der universalen Verbundenheit an.

Doch je länger der Abend dauert, desto mehr sehnt man sich nach einer weniger abstrakten Deutung, die aktuelle Entwicklungen mit einbezieht. Auch die Angst unterliegt historischen Veränderungen, sowohl was ihre Auslöser, als auch ihrer Formen abgeht. Am Ende flüchtet das Ensemble in das wabernde Luftkissen. Da muss einem nicht wirklich bange werden.

„German Ängst – Angst essen Seele auf“ | R: Daniel Schüßler | 20., 22.-25.1.17 je 20 Uhr | Studiobühne | 0221 470 45 13

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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