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Dominique Mentha, Johannes Maria Staud, Georg Kehren (r.) bei der Präsentation
Foto: Katja Sindemann

Antilopisch sprechen

02. März 2017

Pressegespräch zur deutschen Premiere der Oper „Die Antilope“ – Oper 03/17

Eine Firmenfeier im 13. Stock eines Hochhauses. Die Mitarbeiter üben sich im Smalltalk, während Victor abseits steht. Der Chef hält eine hochtrabende Rede, die er jedoch abbrechen muss. Nun ergreift Victor das Wort, benutzt allerdings eine Fantasiesprache: antilopisch. Dann springt er aus dem Fenster und begibt sich auf eine nächtlich-magische Reise, in deren Verlauf er ein Liebespaar, eine Mutter mit ihrem Kind, eine moderne Skulptur und Tiere im Zoo trifft. Zum Schluss kehrt er auf die Party zurück, die weitergeht.

„Victor ist der Rote Faden, der Sympathieträger, der verschiedene Situationen durchläuft, ähnlich wie bei einem mittelalterlichen Stationentheater“, erläutert der österreichische Komponist Johannes Maria Staud vier Tage vor der deutschen Erstaufführung von „Die Antilope“. „Regisseur Dominique Mentha und ich haben viele Vorgespräche über den Inhalt der Oper geführt. Ausgangsidee war eine Person, die das Sprechen verweigert. Vorbilder dafür waren ‚Bartleby der Schreiber‘ von Herman Melville und ‚Eleutheria‘ von Samuel Beckett.“ In beiden Stücken verweigert der Protagonist die Einbindung in die Gesellschaft. Librettist Durs Grünbein und er hätten sich mit Kunstsprachen wie Esperanto und Volapük sowie dadaistischen Texten auseinandergesetzt, erzählt Staud. So werden im ersten Bild über hundert Antilopenarten namentlich aufgezählt. Chefdramaturg Georg Kehren führt den Inhalt noch etwas näher aus: „Es geht um Nichtverstehen und Annäherung, die Suche nach Zusammenhang und Zugehörigkeit. Diese findet Victor auf seiner magischen Reise, die an ‚Alice im Wunderland‘ oder das ‚Traumspiel‘ von August Strindberg erinnert, erst bei den Tieren im Zoo, die ihn mit ‚Da bist du ja endlich‘ freudig begrüßen.“ Kehren stellt den Zusammenhang mit der heutigen Gesellschaft her: „Wir bedienen uns je nach Kontext scheinbar professioneller Floskeln, lesen Bildschirmtexte. Es geht um die Frage, wie Kommunikation funktionieren kann.“


Die Tiermasken für die Inszenierung, Foto: Katja Sindemann

Den Höhepunkt, die „Antilopische Arie“ singt der kroatische Bariton Miljenko Turk, dem Kölner Publikum u.a. als Cortez in „Die Eroberung von Mexico“ und als Jakob Lenz in Wolfgang Rihms gleichnamiger Oper vertraut, in der Kunstsprache: „Es war schwer, sie zu lernen, aber machbar. Ich habe Eselsbrücken verwendet.“ Turk präsentiert die Arie, die eine große Bandbreite an Tonhöhen durchläuft, ausdrucksstark und emotional. „Das Stück beginnt tonlos, worauf mächtige, liegende Töne folgen. Es kommt mit wenig musikalischem Material aus“, erläutert der Musikalische Leiter Howard Arman, derzeit Künstlerischer Leiter des Rundfunkchors des Bayerischen Rundfunks, der mit „Das Lied der Frauen vom Fluss“ des spanischen Künstlerkollektivs La Fura dels Baus bereits modernes Musiktheater präsentiert hat. „Themen und Rhythmen finden sich in bestimmten Situationen wieder, nicht als Leitmotiv, aber in Skelettform, was einem traditionellen Aufbau entspricht. Die Oper hat eine schemenhaft-geisterhafte Melodie, die nicht ganz greifbar ist.“ Staud ergänzt: „Die Streicher sind in 6er-Besetzung, dazu viel Schlagzeug. Ich verwende leere Champagnerflaschen, da sie einen stabilen Glasklang haben, sowie Blechdosen. Dann gibt es elektronische Zuspielungen sowie ein Cimbasso, eine Mischung aus Tuba und Bassposaune, die Guiseppe Verdi wiederentdeckt hat.“ Er habe etwas zwischen der spätromantischen Literaturoper des 19. und der Bilderoper des 20. Jahrhunderts schaffen wollen.

„Die Antilope“ ist eine Koproduktion der Oper Köln mit dem Lucerne Festival und Theater Luzern, wo sie September 2014 uraufgeführt wurde. Für Johannes Maria Staud und Durs Grünbein war es die zweite gemeinsame Arbeit. Die schwarzen Tiermasken, die im Stück getragen werden, sind mit Akribie gefertigt und zugleich federleicht. Intendantin Birgit Meyer erläutert ihre Entscheidung für das Stück: „Wir wollen unterschiedliche Stile des heutigen Musiktheaters zeigen von Detlev Glanerts ‚Solaris‘ über Wolfgang Rihms ‚Eroberung von Mexiko‘ bis zu ‚Tree of Codes‘ der australischen Komponistin Liza Lim. Ziel ist, das Publikum zu erreichen und zu berühren.“ Davon kann man sich ab dem 5. März im Staatenhaus überzeugen. Vor der Premiere findet um 17 Uhr noch ein Podiumsgespräch mit Johannes Maria Staud, Durs Grünbein und Georg Kehren statt.

„Die Antilope“ | R: Dominique Mentha | 5.(P), 12., 26.3. 18 Uhr, 10., 18., 23.3. 19.30 Uhr | Oper Köln im Staatenhaus | www.oper.koeln

KATJA SINDEMANN

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