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Besser Leben ohne Arbeit

27. April 2017

Die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen – THEMA 05/17 ARBEITSGLÜCK

„Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“, verspricht die Bibel im ersten Buch ewige Plackerei. Solch einer Arbeitsethik zu widersprechen, hat vor allem auf Seiten der politischen Linken einen hohen Sexappeal. Dennoch hat die Idee für ein Recht auf ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE), unabhängig davon, ob man einer Lohnarbeit nachgeht, auch Befürworter auf Unternehmer-Seite. Einer der prominentesten BGE-Verfechter in Deutschland ist der Chef der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner. Der Anthroposoph argumentiert dabei konsequent von den Standpunkten Menschenwürde, Mehr an Freiheit und Automatisierung. Werner sieht vor allem Potenziale, wenn vom BGE die Rede ist, und er sieht die Fähigkeit, diese durch ein BGE freizusetzen. Automatisierung soll vor allem besonders mühselige oder würdelose Tätigkeiten obsolet machen und den Menschen so mehr persönliche Freiheit bringen.

Mag das Engagement eines Unternehmers für das BGE auf den ersten Blick erstaunen, ist es geradezu überraschend, dass die Gewerkschaften zu den schärfsten Kritikern eines BGE gehören. Einen Irrweg sieht beispielsweise die gewerkschaftsnahe Ökonomin Friederike Spiecker in der Forderung nach einem BGE. „Das Grundeinkommen zerstört die ökonomische Basis, aus der heraus es bezahlt werden soll, durch sein Konstruktionsprinzip“, lautet ihre ziemlich realpolitische Argumentation in einem Interview mit dem Onlinemagazin Telepolis. Das Grundeinkommen sei, fährt Spiecker fort, „ein Anreiz, sich auf dieser Leistung des Staates in dem Sinne auszuruhen, dass man um den Betrag weniger arbeitet, den man automatisch vom Staat erhält“.

Spieckers Argumentation greift zu kurz, wenn sie ausblendet, dass schon heute mehr als doppelt so viele Stunden unbezahlt gearbeitet werden als bezahlte. Warum sollten wir so viel unentgeltliche Arbeit leisten, wenn wir alle nur für Geld arbeiteten? Und angenommen, ein bedingungsloses Grundeinkommen läge bei 1000 Euro, warum machen wir uns nicht schon heute einen Lenz, wenn wir so viele Scheinchen zusammenmalocht haben? Zudem gilt für die Mehrheit der Arbeitnehmer, dass Arbeit mehr ist als Lohnerwerb. Arbeit bringt soziale Kontakte und Anerkennung. Die Befürchtung, niemand würde mehr einer Erwerbsarbeit nachgehen, wenn nur genug Schotter da wäre, ist ziemlich unbegründet. Das BGE ist kein Lottogewinn, der einen auf einen Schlag zum Millionär macht.

Sinn macht das Argument der Ökonomin nur, wenn sich ihr Fokus auf Erwerbsbiografien, wie der der Klofrau – seien wir ehrlich, den Job machen fast ausschließlich Frauen – richtete. Dass die, wenn sie 1000 Euro im Monat aufs Konto kriegt, keine große Lust mehr verspürt, ihre Lebenszeit mit Pisse, Scheiße und Reinigungsmitteln zu verbringen, ist klar. Und hier liegt ja auch das große Freiheitsversprechen des BGE: Niemand wäre mehr so erpressbar, für die bloße Existenz alles machen zu müssen. Und mit dem Verschwinden der Klofrauen einen Produktionsrückgang zu apostrophieren, den Spiecker bei der Einführung eines BGE befürchtet, ist abwegig bis absurd. Umgekehrt würde doch ein Schuh draus: Die Klofrau wäre in den Stand gesetzt, etwas Sinnvolles und/oder Erfüllendes zu tun. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels fallen einem da reichlich Möglichkeiten ein, in denen sie sich mit Menschen selbst statt bloß mit ihren Ausscheidungen auseinandersetzen könnte.

Zahlreiche zeitliche BGE-Experimente haben darüber hinaus gezeigt, dass selbst durch kleine Beträge von bedingungslosen 400 Euro monatlich, Menschen mehr zu dem kommen, was für sie wichtig ist und wo sie wirklich hinwollen. Das kann ein Rückzug auf die faule Haut sein, aber auch der Start eines kühnen Projekts oder ein Weitermachen wie bisher. Die Bedingungslosigkeit wirkt wie ein Brennglas auf die Selbstverantwortung und kann Potenziale freilegen. Heute bleibt einfach zu viel wichtige Arbeit liegen, weil der Bewegungsfreiraum fehlt. Das Grundeinkommen ist auch ein Anreiz zu mehr Unternehmenskultur, zu sinnvollerer Arbeit und besseren Arbeitsverhältnissen.

Und selbst wenn der eine oder andere 1000 Euro BGE als Freifahrtschein für Faulheit begreifen würde, soll er es doch tun. Schon vor über einem Jahrzehnt konstatierte der Arbeitslosenverband Mecklenburg-Vorpommern völlig richtig: „Von Arbeit muss man leben können, ohne Arbeit auch.“


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Aktiv im Thema

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buendnis-grundeinkommen.de | Ein-Themen-Partei, die das BGE bei der diesjährigen Bundestagswahl auf den Wahlzettel bringen will
mein-grundeinkommen.de | Das crowdsourcing-Projekt verlost 1000 Euro monatlich für je ein Jahr und veröffentlicht Erfahrungsberichte der GewinnerInnen

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Bernhard Krebs

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