Und täglich grüßt die Silvesterparty. Kaum haben sich Laura, Maya, Elias, Mike und Charlie eingegroovt in ihr Ritual, wird die Uhr kurz vorm Jahreswechsel wieder zurückgedreht. Zunächst legt Laura eine Art Kampfbalz hin, um sich Elias zu schnappen; der bleibet widerwillig und entpuppt sich später als schwul; Maya hängt im immergleichen Witzrepertoire fest und hat nur digitale Freunde; der testosteronübersteuerte Mike entpuppt sich als Poet, Charlie ist Musiker, will aber nicht wie sein Vater enden. Die beiden Regisseurinnen Tatjana Feldman und Noelle Fleckenstein schälen geschickt mit jedem Durchgang neue Aspekte der Persönlichkeit, der Wünsche, der Abgründe der Figuren heraus, ohne das Setting der Party zu ändern.
Das Durchspielen changiert zwischen einem hoffnungsfrohen Was-wäre-wenn und dem harschen Zwang zur Wiederholung. Denn die Party selbst ist längst ein eingeübtes, langweiliges Ritual des Quintetts. Die Jahre dazwischen sind geschrumpft zum Erfahrungsdestillat, das dann partytauglich reproduziert wird. Nichtsdestotrotz geht es ums Ganze, um Persönlichkeit, Selbstverwirklichung, -zweifel, Lügen und andere Kleinigkeiten. Der konsequente dramaturgische Ansatz, der mit großer dialogischer Genauigkeit gefüllt ist, gerät dann allerdings ins Schlingern und verliert an Stringenz. Es werden Genderrollen durchgespielt. Die Morgentoilette als Ritual thematisiert, die Rollen von Kinderstimmen durchgespielt. Der Rahmen weitet sich und erscheint plötzlich zu groß für die temporäre Selbstbefragung einer Sylvesterparty. Dann findet der Abend der Regieklasse der Theaterakademie und der jungen Theatergemeinde wieder in die Spur und gipfelt in einer schonungslosen Analyse von Maya.
Die jungen Schauspieler geraten während des Abends in einen Schleudergang ihrer Fähigkeiten, der ihre Stärken und Schwächen wie unter einem Brennglas erkennen lässt. So wandelt sich beispielweise Xanan Welt als Maya vom eher schwach konturierten digitalen Mauerblümchen zur großen Komikerin und toughen Levitenleserin. Dann ist endlich doch Silvester – der Countdown der Zukunft allerdings läuft unerbittlich weiter.
„Nicht jetzt!“ | R: Tatjana Feldman, Noelle Fleckenstein | Fr 23.6. 20 Uhr, Sa 24.6. 20 Uhr, So 25.6. 18 Uhr | Freies Werkstatt Theater | 0221 32 78 17
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