Claus und Lukas sind eigentlich Zwillingsbrüder, doch irgendwann weiß man nicht mehr, wer wer ist und ob man überhaupt bis zwei zählen darf. Regisseurin Mina Salehpour denkt in ihrer Inszenierung von Ágota Kristófs Romantrilogie „Das große Heft/Der Beweis/Die dritte Lüge“ am Schauspiel Köln den Plot vom Ende her und wirft die Frage auf, ob die beiden Zwillinge nicht eine einzige Person sind und ob der Erinnerung wirklich zu trauen ist. Apropos Erinnerung: Die Trilogie handelt von zwei Brüdern, die von ihrer Mutter während des Krieges bei der Großmutter untergebracht werden. Sie erziehen sich selbst zu völliger Empathielosigkeit. Der eine Bruder flüchtet schließlich aus dem offenbar diktatorischen Land, der andere bleibt in Einsamkeit zurück, bis der Geflohene selbst auf der Suche nach seiner Vergangenheit zurückkehrt.
Nachdem im Depot 2 eine gewaltige Ziegelmauer umgefallen ist, agieren Bruno Cathomas und Sean McDonagh wie ein symbiotisches Paar: Sie tragen weißes Hemd und schwarze Hose, berichten chorisch von ihrem Training und bewegen sich dabei häufig synchron. Flugzeuggeräusche schaffen eine bedrohliche Atmosphäre. Die Regie entscheidet sich für ein extrem formstrenges Spiel in Parallele zu den Exerzitien der Brüder, was durchaus auch für Längen sorgt. Die beiden anschließenden jeweiligen Monologe von Lucas und Claus fallen dann allerdings ziemlich auseinander, während sich gleichzeitig die Bühne vom Trümmer- zum Gräberfeld wandelt. Es mag absurd klingen, aber das Manko des Abends liegt darin, dass er so vehement auf der Vieldeutigkeit des Stoffs zwischen Kriegsgräuel, Fluchterfahrung, Entfremdung der Geschwister, täuschende Erinnerung usw. beharrt.
Das große Heft/Der Beweis/Die dritte Lüge | R: Mina Salehpour | 4., 14., 31.5. | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00
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