Ausgangspunkt war eine kleine Meldung im „Guardian“: Eine Frau ist in der Nähe ihres Bruders gezogen. Sie bemerkt in ihrer neuen Wohnung nicht nur Merkwürdiges, sondern hört auch Geräusche auf dem Dachboden. Die Polizei entdeckt dort allerdings nur noch einen Schlafsack und ein Buch. Regisseurin Marie Schleef macht diese Geschichte zur Basis ihrer beindruckenden Inszenierung „Once I lived with a stranger“. Der Plot wird auf ein Hauses projiziert, das allerdings (Ausstattung: Lina Oanh Nguyen) mit seinen Stützen und seinem Architrav einem griechischen Tempel ähnelt. In seiner Mitte wiederum steht ein gewaltiger Fasskaktus, ergänzt durch einen Saguarokaktus wie man ihn aus Wüsten kennt vor dem Haus.
Kristin Steffen agiert in diesem Ambiente stumm und „erzählt“ nun quasi den Subtext zur projizierten Geschichte. Immer wieder setzt sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht in den Kaktus, drückt seine Stacheln in Hals und Gesicht. Welche Rolle spielt der Masochismus im Verhältnis zu Bruder und dem Dachbodenbewohner? Dann aber sind das die Statisten, die missbilligend, vielleicht auch fremdenfeindlich die Hinzugezogene beäugen. Schließlich schneidet sich Kristin Steffen (Achtung: Sexualsymbol) eine rote Locke ab. Ein permanent rhythmisch wiederkehrender Ton und eingespielte kleinen Animationsfilme ergänzen diesen merkwürdig faszinierenden Abend. Faszinierend deshalb, weil der Zuschauer nicht anders reagiert als die Frau im Plot: So wie sie sich ihren unbekannten Mitbewohner imaginiert, phantasiert man sich beim Zuschauen die Fragmente zu einem Plot samt Psychologie zusammen – letztlich kann aber auch alles ganz anders gewesen sein.
Once I lived with a stranger | R: Marie Schleef | Schauspiel Köln | 7., 29.10.| 0221 22 12 84 00
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