Freitag, 4. Oktober: Wie schon in den Jahren zuvor, verlieh die Cologne Conference, das große Kölner Film- und Fernsehfestival, auch 2013 den „Filmpreis Köln“ an eine herausragende Persönlichkeit der internationalen Medienlandschaft. Harmony Korine durfte den Preis zusammen mit anderen illustren Ausgezeichneten wie Isabelle Huppert und Sibel Kekilli am Abend des 4. Oktober im Gürzenich entgegennehmen. Zuvor sprach er aber, wie auch die anderen Preisträger, in einstündigen Werkstattgesprächen im Wallraf-Richartz-Museum über sein Schaffen und stellte sich den Fragen des Publikums. Die Moderation hatte in diesem Falle selbst ein prominenter Künstler übernommen, Phil Collins, seines Zeichens Videofilmer, nominiert für den Turner Prize und Dozent an der KHM in Köln, und nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Sänger und Genesis-Frontmann, wie er immer wieder gerne selbstironisch betont. Die beiden innovativen Künstler führten ein tiefgehendes und interessantes Gespräch über Harmony Korines Werdegang, wobei auf alle bisherigen Kinoarbeiten des Regisseurs die Sprache kam.
Korine dürfte den meisten hiesigen Kinozuschauern durch seinen im März 2013 angelaufenen Film „Spring Breakers“ bekannt sein, konnte zuvor aber auch schon mit dem schrägen „Trash Humpers“ ein experimentierfreudiges Arthouse-Publikum begeistern. Von Phil Collins als Freund von Einzelgängern, Außenseitern und Freaks klassifiziert, bestätigte Korine im Gespräch, dass er durch seine Kindheit eine große Affinität zu solchen Menschen habe. Er wuchs bei seinen sehr jungen Eltern in einer Hippiekommune auf, zog viel umher und verbrachte auch Teile seiner Jugend auf der Straße, mit diversen Drogenerfahrungen. „Meine frühesten Kindheitserinnerungen betreffen Zirkusleute und das Leben auf dem Rummel, das zu dem wurde, mit dem ich mich am besten auskenne.“ Das Wilde zog ihn förmlich an und wurde zu einer Konstante in seinen Arbeiten. Seine Eltern charakterisierte er als eigenartig, und dass viele Menschen in seinem Umfeld Waffen besaßen, spiegelt sich nun auch in Korines Arbeiten wider. Mit 15 Jahren drehte er seinen ersten Film, indem er seiner Großmutter beständig mit der Kamera auf den Leib rückte und sie dabei unbarmherzig drangsalierte. Eines stand für Korine aber auch schon frühzeitig fest, und er konnte sich bis heute an diese Prämisse halten: „Ich wollte in kreativer Hinsicht nie von anderen abhängig werden, sondern ein wahrer Künstler und Filmemacher werden. Die Drehbücher anderer Leute zu verfilmen, kam für mich nie in Frage.“ Deswegen besuchte er eine Schule für kreatives Schreiben, um schließlich mit dem Drehbuch für Larry Clarks „Kids“ seinen fulminanten Einstand zu geben.
Das Buch hatte er in gerademal einer Woche geschrieben, ohne zunächst zu wissen, auf was die Geschichte hinauslaufen sollte. Sie entwickelte sich von Seite zu Seite natürlich weiter. „Kids“ wurde schließlich zum Debütfilm aller Beteiligten, von Korine über Regisseur Clark bis hin zu den Laiendarstellern, von denen Rosario Dawson und Chloë Sevigny mittlerweile eine große Hollywoodkarriere gemacht haben. Für die Filme, die Korine nun auch als sein eigener Regisseur inszeniert, ist ihm der visuelle oder ästhetische Ansatz am wichtigsten. „Bei meinen Filmen dreht sich alles um das Gefühl, nicht um die Handlung. Ich liebe den perfekten Nonsens, Bedeutung ist mir scheißegal.“ Die engste Beziehung am Set pflegt Harmony Korine deswegen immer mit seinem Chefkameramann, der für den Look seines Films verantwortlich ist. Und wenn das Verständnis und die Zusammenarbeit miteinander zu harmonisch wird, sucht er sich für sein nächstes Projekt einen anderen DoP. Schließlich darf es dem Regisseur bei der Arbeit nie langweilig werden.
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