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Der Anfang ist gemacht
Foto: Cornelia Wortmann

Die Kunst der Solidarität

25. Oktober 2018

Crowdfunding für die „fünfte Gewalt“?

Man soll das Kind nicht mit dem Bade ausschütten: Dafür, dass das Bürgertum schon lange nicht mehr gesellschaftliche und künstlerische Avantgarde ist, können die Kunstvereine vielleicht am wenigsten. Dabei sind Kunstvereine eine genuin bürgerliche Erfindung; allerdings aus einer Zeit, als das Bürgertum noch etwas wollte und treibende Kraft war im Kampf um gesellschaftlichen und sozialen Fortschritt. Als sich zwischen 1800 und 1840 die Kunstvereine in den Städten und der Provinz gründeten, lautete das Ziel, auch Laien mit zeitgenössischer Kunst vertraut zu machen. Die Beschäftigung mit Kunst sollte nicht länger allein dem Adel überlassen bleiben. Auch deshalb gelten Kunstvereine als Wegbereiter der Demokratie im Kulturbereich. Im internationalen Vergleich sind die deutschen Kunstvereine einzigartig. Sie öffnen den Blick, fördern die Diskussion über zeitgenössische Kunst und gelten als „die Augenschule der Nation“; so der Titel eines FAZ-Beitrags von Swantje Karich aus dem Jahr 2010. Dafür bekommen Kunstvereine – nicht üppig und immer weniger – öffentliche Förderung.

Das demokratische Verständnis endet aber nicht selten dort, wo es anfängt weh zu tun; gibt es Widerstand – auch undemokratischen – wird auch mal zurückgezogen. Der Fall des Kölner Bananensprayers Thomas Baumgärtel, der im Kunstverein Langenfeld ein Bild des türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdoğan mit Banane im Hintern ausstellte, macht dies deutlich. Nach Protesten und Drohungen wurde die Ausstellung im Oktober 2016 kurzfristig beendet. Auch aus der verständlichen Sorge um die Ehrenämtler, die im Kunstverein tätig sind.

Eine neue Vernetzung in der Kunst und Kultur mit politisch aufklärerischem Anspruch, stellt das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) dar. Es wählt mit dem von ihrem Vordenker Philipp Ruch propagierten „aggressiven Humanismus“ bewusst den Weg des größtmöglichen Widerstands. Einen großen Coup landete das ZPS mit einem Miniaturnachbau des Holocaust-Denkmals im Nachbargarten von Björn Höcke (AfD) im thüringischen Bornhagen. Höcke hatte die Holocaust-Gedenkstätte zuvor als „Mahnmal der Schande“ verunglimpft. Gleichzeitig versuchte das ZPS Höcke zu einem Kniefall nach dem Vorbild Willy Brandts zu bewegen – mit fragwürdigen Mitteln: Sollte Höcke nicht niederknien, werde man Details aus seinem Privatleben preisgeben, die man bei einer Beobachtung des Höckeschen Familienanwesens gesammelt habe. Von Stasi-Methoden war anschließend die Rede, das bürgerliche und linksliberale Feuilleton stieß sich an der Aktion: „Die aktuelle Inszenierung ist allerdings missglückt. […] Ein größeres politisches Geschenk als die Aktion in Bornhagen hätte […] das Zentrum für Politische Schönheit [Höcke ] nicht machen können“, hieß es in der Süddeutschen Zeitung. Dem hielt der Schweizer Kunsttheoretiker Beat Wyss, der die Aktion als Eulenspiegelei begriff, entgegen: „Kunst darf alles, weil sie quasi als fünfte Gewalt in der Gesellschaft mit Machtlosigkeit geschlagen ist.“ Finanziert wurde die Aktion – wie alle anderen des ZPS – über Crowdfunding. 28.800 Euro brauchte das Kollektiv für die Aktion, rund 90.000 Euro wurden eingenommen. Es ist beruhigend, sogar schön, dass Kunst mit humanistischem Anspruch, sich offensichtlich mit Leichtigkeit finanzieren kann.


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Bernhard Krebs

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