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Rocko Schamoni
Foto: Kerstin Behrend

Ein dummes Ding

29. Januar 2018

Rocko Schamoni im Gloria – Bühne 02/18

Kannste schon so machen, aber dann ist es halt Kacke... „Was kann man auch schon über einen Menschen begreifen, wenn man ihn nicht wirklich und leibhaftig getroffen hat? Gesehen hat, wie er sich verhält, gestikuliert, blickt und spricht?“ Diese Frage stellt Rocko Schamoni auf seiner Webpräsenz. Recht hat er. Helden, Ikonen und liebgewonnene Künstler live sehen – das kann man schon mal machen. Der Zauber des Live-Erlebnisses. Also mache ich mich am Freitag auf den Weg ins Gloria Theater, um dabei zuzusehen, wie sich ein Drittel von Studio Braun öffentlich „derangiert“, wie King Rocko höchstpersönlich es ankündigt. Hört, hört!

Was macht er nicht? lautet hier die erste Frage. Er ist gewiss kein Partei-Vorfurzender der CDU, aber politisch engagiert, und er ist auch kein Dixiklo-Vermieter, aber macht aus Gold Scheiße. Tobias Albrecht, der Lütjenburger Jung ist Musiker, Autor, Schauspieler, Pudel-Klubbetreiber, Komiker und Mitglied der Partei Die Partei. Zu seinen Romanen zählen die „Sternstunden der Bedeutungslosigkeit“, „Dorfpunks“ und das „Risiko des Ruhms“. In diesem Jahr zieht er durch´s Land und preist uns „Dummheit als Weg“ an. Ein fortlaufendes Buch, das auch an diesem Abend weitergeschrieben werden könnte, wenn, ja wenn denn die menschliche Dummheit im Kölner Gloria hochkonzentriert genug ist. Im Kontext von Studio Braun hat er mir im letzten Jahr einen köstlich-witzigen Abend beschert, der mich nachhaltig begeistert hat und welcher musikalisch, geistig, optisch und komödiantisch, ohne mit der Wimper zu zucken in alle Richtungen geschoben hat. Geile, echte Kunst. „Denn wir sind Geilianer“, kommt mir sofort ein Schwachsinns-Hit der Show ins Ohr. Ich erwarte also mehr als nur „etwas“ Live-Lesung.

Als konstruktiver Fan möchte ich nicht mit leeren Händen kommen und kaufe am Kiosk einen ehrlichen Korn, der zufälligerweise auch noch „Braun“ heißt. Mariacron gibt es nur montags! Ich entere die ausverkaufte Halle des Theaters. Zum Einstieg gibt es ein Video, welches zeigt, wie sich Schamoni angeblich ein paar Doornkaat-Schnäpse reinstellt. Ciao bukowskisches Live-Besäufnis! Auf der Bühne nur ein Bier. Nicht, dass es mir hier nur um einen storno-hagelvollen Schamoni geht. Das auch. Aber es geht mir vor allem um Musik, die mich berührt und zum Weinen und Lachen bringt, um ein paar virtuose verbale Fallrückzieher bei einer Lesung, die als sehr live und frei angekündigt wird mit „14 anspruchsvollen Hälften“. Eine gewitzte Lektion zum Thema menschliche Dummheit.

Der Name ist Programm, und ich frage mich erst jetzt, warum mir nicht schon vorher schwante, dass „Nomen est omen“ in diesem Fall fatal bzw. ganz schön dumm sein kann. Schamoni erläutert zunächst zwei Kategorien von Dummheit: dumme Fragen und dumme Gedanken. „Was sind das für dumme Gedanken, die ich da denke?“ Mir ist diese Frage fremd. Absurde Gedanken – ja gefährliche: vielleicht, und meinetwegen total bekloppte Gedanken, aber dumm? Tut mir leid, nein.

Das Lachen des Publikums ist mir zu aufgeschlossen und unkritisch. Mutti hat den Sekt schon drin und man lässt sich halt gern bespaßen. Der kann das doch. Hab ich doch gelesen. Ein witziger Typ, dieser Schamoni. Mich berührt das Live-Erlebnis von hier an eher peinlich. Die Imitationen sind nicht witzig, sondern im besten Fall lächerlich. Zu plakativ. Plump. Was ist da los, Rocko?

Oder ist er aber ein Genie, das uns im wahrsten Sinne des Wortes für dumm verkaufen will? Der es richtig ausreizen will und das Publikum vorführt und sich heimlich ins Fäustchen lacht, dass er mit so stupiden Gags die Lacher kassiert und nicht nur die.

Mein Nachbar wischt sich die Träne aus der Lidfalte und sagt: „Herrlich.“ Ich denke: „Gruselig“, als Schamoni mit dünnem Humor von #metoo zu Düsseldorfer Yachten schwenkt, auf denen man ihn vermute. Also ich hätte ihn nicht auf einer Düsseldorfer Yacht imaginiert. Wieso auch? Ich verliere gänzlich den Faden und muss aus Versehen an Mario Barth denken. Autsch. Ich will doch an dich glauben, Rocko, der du Sätze sagtest wie: „Ich bin der Don. Ich werde verlieren. Das wird meine Rache sein.“

Nun geht es um Sprachdummheit und soziale Dummheit. Er redet sich weiter in den Brei und erzählt einen vom Pferd. Dass es Menschen gebe, die so weit weg von der Realität leben, dass sie sich beim Anblick eines Tieres fragen: „Wer hat das Fell um den Aufschnitt gewickelt?“ Aha – ha. Ich steige geistig und seelisch aus, schlucke die eigene Kotze runter und überlege ob es nun an der Zeit ist, mein Fan-Geschenk zu übergeben. Haha, Wortspiel. Ich passe mich dem dämlichen Humorlevel an.

Nun packt er die Kölner bei den Eiern und sie lachen nur. Eine amouröse Dummheit sei es Schlösser an Brücken zu hängen, in einer Stadt, die er das „Düsseldorf des Ostens“ nennt. Das klotzendösige Publikum reagiert mit einem „Ohhh!“, das weder aggressiv noch enttäuscht klingt. Einfach nur: dumm. Als nächstes baut er Mauern der Liebe und verpackt sie in einen Country-Song. Ich fühle mich mittlerweile wie auf einer Tupper-Party für betüdelte Startup-Mums & Männer, die bei ihrem ersten Backstreet-Boys-Konzert auf Ecstasy sind. Wenn Rocko Scheiße labern darf, dann darf der Autor das auch. Was mir in seiner Show noch fehlt, ist der Anklatscher, denn dann würden die Pointen noch schneller runtergehen.

Es ist nun wirklich an der Zeit mein Geschenk zu überreichen. Es bleibt, wer hätte das gedacht, unangerührt. Ich bin unangenehm berührt und ziehe zwei Möglichkeiten in Betracht. Jemand, der einst Sätze sagte wie: „Ständig ist unter irgendeinem Vorwand irgendetwas los. Es bedarf nur einer minimalen Idee, die an die große Glocke gehängt wird, und die Massen strömen dumpf und ergeben herbei, staunen auf Bestellung, glauben und genießen, bewundern, verehren und bejahen. [...] Man zelebriert ein Minimum von Ereignis und tut so, als ob es ein Maximum wäre“, hat das alles vielleicht mit Absicht so vorgetragen. Das wäre das perfekte Verbrechen und ich ziehe den Hut vor dem Künstler Rocko Eulenspiegel. Die zweite Option ist der traurige Verlust eines geschätzten Künstlers durch die leibhaftige Live-Enttäuschung. Wer nun Lust bekommen hat sich vom Gegenteil zu überzeugen oder gerne strunzdumme Gag-Salven niederprasseln sieht, der kann dies auf der laufenden Tour machen oder im November ins Gloria Theater kommen. Vielleicht kommt es ja dann mit einem Dreifachen Tusch zur enttarnenden Eulenspiegelei. Ich jedoch finde, dass Dummheiten reizend sein können, Dummheit hingegen nicht.

Die große Rocko-Schamoni-Schau | Rhein/Ruhr: 26.4. Düsseldorf, ZAKK | 27.4. Oberhausen, Druckluft | 19.6. Bielefeld, Theater am Markt | 29.11. Köln, Gloria | je 20 Uhr

Marielena Wolff

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choices, 06.02.2018

Re: Kommentar von devin

Wir und Frau Wolff, die Autorin dieses Artikels, die hier bewusst subjektiv und auch emotional berichtet und damit auch viel Raum für Zweifel und Widerspruch lässt, bedauern, wenn durch das Fangeschenk oder die Art der Übergabe Irritationen entstanden sind. Natürlich sollte das nicht sein.
Es stimmt auch, dass im Rahmen subjektiver Urteile unfair mit dem Publikum als Ganzem umgegangen wird. Andererseits wird an solchen Abenden gern über die Dummheit anderer gelacht, da kann man das vielleicht mal verkraften.
Die Autorin war an der Garderobe, als es losging, und verpasste die ersten zehn Minuten, aber keineswegs die ganze erste Hälfte.
Wir freuen uns, dass Rocko Schamoni an dem Abend vielen anderen Vergnügen bereitet hat und dass das durch Lesermeinungen hier und auf Facebook auch zum Ausdruck gebracht wurde.
(Redaktion choices)

devin, 31.01.2018

Ganz schön selbstbewusst....

als Kulturredakteurin die Veranstaltung erst ab der zweiten Hälfte zu besuchen weil man zu spät dran ist, eine Stunde also verpasst hat.

Und dann auch noch den Rest der Veranstaltung zu stören weil man Rocko aus schier unerfindlichen Gründen versucht, eine Flasche Korn unterzujubeln...ziemlich unbegreiflich.Publikum und Künstler waren jedenfalls sichtlich genervt.

Dann aber-vor dem genannten Hintergrund-das Publikum anschließend als klotzendösig und dumm zu bezeichnen (weil wir ja über die Barthschen Billig-Gags gelacht haben) zeugt von einer Chuzpe Trumpschen Ausmaß.

Klar als Kulturredakteurin kann man-wie verschwurbelt und unbeholfen auch immer-resümmieren, dass Studio Braun neulich dope, Rocco aber whack war.

Sich aber als einzige Leuchte im Raum zu inszenieren, umgeben von lachenden Vollpfosten...irgendwie befremdlich.

Dann geh ich mal wohl besser Mario Barth Tickets klarmachen.







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