Buena Vista Social Club
Deutschland, USA 1999, Laufzeit: 101 Min., FSK 0
Regie: Wim Wenders
Darsteller: Ry Cooder, Joachim Cooder, Ibrahim Ferrer, Rubén González, Orlando "Cachaito" López, Manuel "Guajiro" Mirabal, Eliades Ochoa, Omara Portuguondo, Compay Segundo, Barbarito Torres
Buena Vista Social Club
Max.Renn (8), 20.05.2001
Als einem der Popkultur abgewandten Liebhaber des guten alten "Neuen Deutschen Films" war mir natürlich nicht bekannt, welche Band seinerzeit beim Start von "Buena Vista Social Club" die Verkaufscharts des Plattenhandels anführt. So erschien mir Wim Wenders' aktueller Film denn auch nur ein weiteres interessantes Filmexperiment eines der letzten wirklich aktiven Filmemacher aus jener Zeit, in der Schlöndorff, Kluge, Herzog, Straub und Fassbinder noch gutes deutsches Kino boten.
Wenders hatte sich in vergangenen Jahren immer wieder als Apologet des postmodernen Films hervorgetan. Gerade in Filmen wie "Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten" oder "Tokyo Ga" bewies er Gespür dafür, wie man als Dokumentarfilmer mit den Mitteln des Mediums Film (oft im Kontrast zum Medium Video) dessen Möglichkeiten darstellen kann, ohne wirklich in die Untiefen des Experimentalfilms abzurutschen. Und immer hatte ich dabei das Gefühl, dass die Arbeit mit 35mm für Wenders die bestimmende war. Machte er doch stets deutlich, wie vergänglich das Video war, wie unästhetisch, wenn es von den Monitoren fort auf die große Leinwand gezerrt wurde. In "Buena Vista Social Club" verwunderte mich deswegen am stärksten darüber, dass er ausschließlich mit Video (Sony Digital Camcorder) vorging. Die Bilder, die er von Kuba, New York und Amsterdam einfängt, bekommen daher etwas Urlaubsvideohaftes - gewollt oder nicht. Und in Einklang mit der Urlaubsvideoästhetik wird dann auch eine Geschichte von alten Menschen und ihrer Liebe zu Kuba und zur kubanischen Musik erzählt, die sich des Pittoresken eines Urlaubsfilms nicht zu erwehren vermag. In Fahrten die langen Straßen Havannas und New Yorks entlang, immer um das jeweils erzählende Bandmitglied herumwuselnd und nebenher mit einem flinken Blick die ökonomischen Missstände (in Form verbeulter Autos und verfallener Häuser) erhaschend, versucht Wenders, die Geschichten aus alten Tagen, die die Menschen der Kamera erzählen, zu bebildern. Er schreckt dabei nicht einmal vorm Schnulzigen zurück. So ist der Film natürlich durchsetzt mit den Musikclips der Soneros-Band, abwechselnd im Studio oder beim Live-Auftritt in New York. Der Schnitt, mit dem solche Szenen mit besagten Urlaubsvideos und Frontalen auf die Musiker verbunden werden, ist hinreichend bekannt aus den Star-buhlenden Dokumentarfilmen von MTV, RTL und anderen Sendern, die vorgeben, zu informieren, aber hinterrücks beweihräuchern. Dem kann sich wohl selbst ein Wim Wenders nicht entziehen.
Dabei ist das Objekt seiner Begierde - eben die Band - ja tatsächlich ein Kuriosum. Die Musiker schienen längst vergessen, als Ry Cooder (der heimliche Hauptdarsteller des Films, der für Wenders in zahlreichen Filmen den Soundtrack stellte) von einem New Yorker Produzenten die Idee bekam, eine Platte mit kubanischer Musik aufzunehmen. Der Film versucht nun, die Geschichte der mittlerweile superpopulären Band nachzuerzählen: Wie Cooder jeden einzelnen aufgespürt hat, wie die Musiker zu dieser Art der Musik gekommen sind, was sie mit ihren Instrumenten und miteinander verbindet. Und ganz nebenbei gefriert "Buena Vista Social Club" zum Geschichts-(erzählenden) Video, geeignet für den Einsatz im Musikunterricht. Wenders versucht zu verschweigen, dass er aus der Gegenwart heraus die Gegenwart filmt und eben nicht die Vergangenheit. Das zeigt sich selbst am Ausblenden des Politischen auf Kuba. Nur ganz am Anfang und am Ende werden wir mit den Namen Castro und Guevara konfrontiert und bekommen verblichene Slogans wie "Die Revolution wird ewig währen" auf Häuserwänden zu Gesicht. Bei mir hat das funktioniert, denn mir war die Band bis dahin unbekannt und ich wähnte mich tatsächlich in einem Entdecker-Video. Auch kannte ich bis dahin keiner der Songs und konnte mich daher unvoreingenommen auf die Musik einlassen.
Ob das hingegen auch bei Zuschauern funktioniert, die keine Pop-Dinos sind, ist fraglich. Alles in allem würde ich "Buena Vista Social Club" gern unterstellen, dass er kein Wenders-Film ist. Das so typische Intellektuelle im Umgang mit Sujet und Bildern fehlt völlig. Zu eindimensional bleibt das Gezeigte und kostet zu sehr den Effekt aus.
(Stefan Höltgen)
Bühne für den Filmnachwuchs
„Eat My Shorts“ in der Stadthalle Hagen – Foyer 11/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24